Die Einkommenssituation der Schweizer Kulturschaffenden hat sich verschlechtert. Eine neue Studie zeigt: 60 Prozent verdienten zwischen 2017 und 2019 jährlich 40'000 Franken oder weniger – das sind 10 Prozent mehr als bei der letzten Befragung 2016.
Zum Vergleich: Der Schweizer Durchschnittslohn von Angestellten betrug in den drei Vor-Corona-Jahren doppelt so viel: nämlich rund 80'000 Franken, bei 100 Prozent Tätigkeit. Nicole Pfister Fetz, Präsidentin von Suisseculture Sociale und eine der Auftraggeberin der Studie, ordnet die Resultate ein.
SRF: Mit den neuen Zahlen lässt sich ohne Übertreibung sagen: Kunst ist zwar wichtig, aber sie ist uns als Gesellschaft nicht besonders viel wert.
Nicole Pfister Fetz: Ideell hat Kultur sicher ihren Wert. Wir sprechen hier von der ökonomischen Seite der Kunst und wie professionelle Kulturschaffende entschädigt werden. Und da könnte man einiges mehr tun.
Die Zahlen zeigen es: Professionell Kunst machen, bedeutet in der Schweiz oft Prekariat - und das trotz Broterwerb. Wie kommt das?
Kulturschaffende arbeiten in ganz verschiedenen Formen, oft kombinieren sie selbstständige und unselbstständige Erwerbstätigkeit. Eine Autorin schreibt etwa ein Buch als Selbstständige oder eine bildende Künstlerin erarbeitet eine Plastik, daneben haben beide kleinste Aufträge, einen Lehrauftrag von zwei Tagen an einer Hochschule oder sie schreiben für ein Journal.
Weil sie wenig verdienen, ist es für viele Kulturschaffende unabdingbar, dass sie noch zusätzliche Einkommen generieren. Alles zusammen gestückelt ergibt das ein Gesamteinkommen, mit dem sie knapp leben können.
Hybride Arbeitsformen, geringe Einkommen, häufig tiefe Prozentzahlen bei Anstellungsverhältnissen: Das hat Folgen für die Sozialversicherungen und Altersvorsorge von Künstlerinnen und Künstlern.
Man kann eigentlich von «Working Poor» sprechen, denn der Umsatz ist so tief, dass es nicht reicht, um Vorsorge, Versicherung und Absicherung zu leisten. Auch deshalb, weil das schweizerische Sozialversicherungswesen auf ein klassisches Arbeitsmodell ausgerichtet ist: Es gibt entweder Angestellte oder Selbstständige.
Eine der Forderungen von Seiten Suisseculture ist darum, für mehr Flexibilität in den Systemen zu sorgen.
Wir wissen alle, dass Sozialversicherungssysteme sehr komplex sind. Aber es gibt Ansätze, um Menschen in atypischen Arbeitsverhältnissen besser zu berücksichtigen.
Zum Beispiel müssten auch Kleinsteinkommen in die Sozialversicherungen einfliessen können. Das heisst: Auch darauf müsste Altersvorsorge zumindest in der ersten Säule geleistet werden. Man kann auch überlegen, wie auch für kleine Einkommen eine zweite Säule zu sichern wäre.
Es gibt auch Forderungen von Suisseculture, dass Honorare und Entschädigungen für Kulturschaffende existenzsichernd sein müssen.
Das heisst, dass professionelle Kulturschaffende für etwa Festivalauftritte ein angemessenes Honorar bekommen. Das heisst andererseits, dass für kleine Lehraufträge auch bei einem Einkommen von unter 2300 Franken die AHV abgerechnet wird, ohne dass einzeln nachverhandelt werden muss. Das sind solche Beispiele, die etwas verbessern könnten.
Aber höhere Gagen an Festivals würden bedeuten, dass Kultur für Konsumentinnen und Konsumenten teurer wird?
Das ist eine lange und wichtige Diskussion. Da kommen wir auf die Anfangsfrage zurück: Wie viel ist uns die Kultur wert und was braucht es, damit man adäquat entschädigen kann? Vor allem ist wichtig, dass Budgets für Kulturveranstaltungen nicht auf dem Buckel der Kulturschaffenden entlastet werden. Sie müssen adäquat sein und es erlauben, die Kulturschaffenden adäquat zu honorieren.
Das Gespräch führte Ellinor Landmann.