La Chaux-de-Fonds oder kurz «Latcho» – die vier Silben des Stadtnamens sind auch den Einheimischen manchmal zu viel – ist eine Planstadt: breite, parallele und rechtwinklige Strassen prägen das Stadtbild. Ein wenig wie Manhattan. Das geht auf den Plan von Ingenieur Charles Junod zurück.
Viel Licht für die Feinarbeit
Nach einem verheerenden Brand im Jahr 1794 hat man die Stadt neu konzipiert und nach den Bedürfnissen der Uhrenmanufakturen ausgerichtet: breite Strassen, um möglichst viel Licht in die Ateliers zu bringen. Einfache Verbindungen, um den schnellen Transport der Uhreneinzelteile von einer Manufaktur zur nächsten zu erleichtern.
Mit der Quarzkrise der 1970er- und 1980er-Jahre mussten viele traditionelle Uhrenfabriken schliessen. Auch für die Schweizer Uhrenindustrie in «Latcho» wurde es eng.
Klumpenrisiko Uhrenbranche
Heute läuft das Geschäft mit dem Luxusprodukt. Doch das schaffe Abhängigkeiten, sagt Katia Babey, amtierende Stadtpräsidentin von La Chaux-de-Fonds. Wenn die Luxusuhrenmärkte in den USA oder in China ein wenig husten, hat «Latcho» gleich die Grippe.
Aber dank der Uhrmachertradition und der Micro-Mechanik hätten sich auch neue Industriemöglichkeiten eröffnet, etwa im medizintechnischen Bereich, erklärt Babey.
Der Nase nach
Wenn man die Rue de l'Avenir hochkommt und an der grössten Synagoge der Schweiz vorbeigeht, gelangt man zum Parc de l'Ouest. Mitten im Park steht eine riesige, chrom-glänzende Skulptur. Fünf Meter hoch, angeblich acht Tonnen schwer.
«Klar sieht die Skulptur etwas ungewöhnlich aus», sagt Remy Gogniat, der viele Jahre Mediensprecher von La Chaux-de-Fonds war. Der Sinn erschliesse sich, sobald man wisse, dass das Monument den Kopf von Louis Chevrolet darstelle. Einfach geht die Nase nach innen statt nach aussen.
Die drei C der Stadt
Louis Chevrolet wurde in 1878 in La Chaux-de-Fonds geboren, aufgewachsen ist er aber im Burgund. Dort entdeckte er seine Leidenschaft: das Auto. 1900 wanderte er in die USA aus und gründete da die legendäre Automarke.
Wie Chevrolet kamen auch der Dichter Blaise Cendrars und Stararchitekt Le Corbusier in La Chaux-de-Fonds zur Welt und sind später ausgewandert. Le Corbusier hat allerdings lange in der Stadt gelebt und gearbeitet.
Bei seiner Achtsamkeit auf den Lichteinfall sei Le Corbusier sehr von seiner orthogonalen, grosszügig geplanten Heimatstadt geprägt worden, sagt Remy Gogniat. Er ist überzeugt, dass die Uhrmacherei die Wurzel des innovativen Geistes der Stadt sei. «Die Uhrmacher brauchten die Künstler, die Graveure, die Ideen aus aller Welt.»
Erfolg dank Zuwanderung
Geschäftssinn und Pragmatismus hat zur Offenheit der Stadt beigetragen. Den Juden gegenüber seien die Stadtbewohner im 19. Jahrhundert zuerst misstrauisch gewesen. Vorerst durften sie nur an der Rue des Juives wohnen, so Gogniat.
Aber schliesslich verdanke die Stadt den Juden und allen Zugewanderten viel. Denn die Juden und Deutschschweizer, später die Südeuropäer und heute die Türken, Afrikaner und Araber haben alle etwas in die Stadt mitgebracht, sagt Remy Gogniat.
Museum in Manufaktur
In einem ehemaligen Uhrenmanufakturgebäude an der Avenue Léopold-Robert ist seit drei Jahren das «Musée des Civilisations de l'Islam» zuhause. Kurator Khaldoun Dia-Eddine hat das Museum im Auftrag des Trägervereins konzipiert.
Die permanente Ausstellung, welche Dia-Eddine entworfen hat, besteht nicht aus klassischen Exponaten, wie etwa historischen Gegenständen. Man macht eine Art Geschichtstour in sechs verschiedene Räumen, durch verschiedene Stadien und Kulturen der islamischen Zivilisationen. Am Ende der Ausstellung ist man in der Gegenwart angekommen.
Die Stadt als Summe der Menschen
Kurator Khaldoun Dia-Eddine sieht La Chaux-de-Fonds ähnlich wie Remy Gogniat und Katia Babey, denn für ihn ist die Stadt «die Summe all dessen, was die Menschen aus ihr gemacht haben. Jene, die hier geboren wurden, zusammen, mit jenen, die gekommen sind und etwas mitgebracht haben.»
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 03.08.2018, 09:00 Uhr.