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Das Klischee der hinterwäldlerischen Bergler
Aus Kultur Extras vom 18.07.2013.
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Landesteile Vorurteile Die urwüchsigen Rätoromanen

Wir verspotten die Bergler als hinterwäldlerisch und schauen doch zu ihnen hoch: bewundern ihre Freiheitsliebe und ihr gut geerdetes Selbstvertrauen. Und vielleicht würden wir die Rätoromanen noch tiefer in unsere Herzen schliessen, würden wir sie besser verstehen können.

Woran erkennt man einen Rätoromanen nach seiner Einäscherung? – Am Subaru-Schlüssel und am Helly-Hansen-Reissverschluss. Nicht lustig, finden Sie? Stimmt, denn meistens stecken noch Schrotkugeln in der Asche. Ist ja nur ein Witz, aber so sehen wir sie: Als wetterfeste Bergbauern und urchige, wenn auch etwas schiesswütige Jäger. Und dafür lieben wir sie, trotz ihres unverständlichen Kauderwelschs.

Eine Beziehung zwischen Wohlwollen und Unverständnis

Ja, die «Rätselromantiker»: seelenvoll und freiheitsliebend, von Geburt ausgestattet mit einem gut geerdeten Selbstvertrauen. Frei vom Stress, der Hektik und Oberflächlichkeit des modernen Lebens, mit der Natur und den Jahreszeiten verbunden, am Puls des wahren Lebens.

Der Sänger und Showmaster Vico Torriani hat die softe Seite dieses Images in die Welt getragen, die des weichherzigen Gemütsmenschen. Nein, er war kein Tessiner, und schon gar nicht Italiener, sondern Oberengadiner! Er lernte ursprünglich Kellner und Skilehrer. Aha, wie der Gigi von Arosa, typisch, denken Sie, die wahre Kernkompetenz der Rätoromanen: Touristen-Abzocke. Und wenn wir schon beim Misstrauen sind: Sind die Rätoromanen nicht wahre Subventionsjäger, engstirnig und hinterwäldlerisch, schwermütig und störrisch in ihren kleinkarierten Sprachtraditionen verkeilt?

Die unendliche Geschichte vom richtigen Rätoromanisch

Obwohl die mit Abstand kleinste Sprachgruppe der Schweiz, beharren die Rätoromanen auf fünf unterschiedlichen Idiomen ihrer Sprache, für jede Talschaft eine. Versuche, aus diesem babylonischen Sprachengewirr eine einheitliche Schriftsprache herauszudestillieren, das Rumantsch Grischun, sind am erbitterten Widerstand der Fundamentalisten in allen Fraktionen gescheitert.

Geld spielt keine Rolle, solange es nicht ihres ist

Die ganzen sprachwissenschaftlichen Sisyphusarbeiten lassen sie sich natürlich von uns finanzieren, genauso wie alle anderen Arten von kultureller Traditionspflege, die sie das ganze Jahr durch so pittoresk wie ostentativ betreiben. Steilhangbewirtschaftung, Arterhaltung, Wildbestandregelung, Alpenbesiedelung, Sprachpflege – egal was, alles dient als Argument für Geldforderungen – oder nicht? Sie sind die Schweizermeister, argwöhnen wir, wenn es darum geht, sich Arbeit zu beschaffen und die Subventionen gleich dazu. So befeuern sie mit unserer Kohle ihren eigenbrötlerischen Traditionalismus, bis hin zum rituellen Murmelieintopf - nei aber au! Andererseits: Diese erdige Naturverbundenheit bewundern wir. Wenn sie uns in einem ihrer schroffen Täler mit einem grinsenden «bun appetit» diese Pizokel servieren, dann fühlen auch wir Unterländer uns wieder wie echte Menschen.

Zu klein, um wichtig zu sein

Wie ist er denn nun, der Rätoromane? Wir wissen es nicht. Erkenntnisse statistischer Art fehlen, diese Sprachgruppe existiert unterhalb des messbaren Bereichs, sie ist schlicht zu klein. Maluns, Capuns, Subventiuns! Aber wir lieben euch trotzdem, liebe Rumantschs, auch wenn ihr den anarchistischen Freiheitshelden nur vorgaukelt, während die meisten von euch in Wahrheit doch bis in die Unterhosen-Wolle tiefschwarz gefärbt sind. Schliesslich, wenn’s draufankommt, versteht ihr alle deutsch. Und so viele seid ihr ja nicht. Lassen wir euch also eure Hobbies, zahlen wir und amüsieren wir uns, denn wir wissen: Ihr wollt ja nur spielen – oder etwa nicht?

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