Sammelwut ist ihr Forschungsgebiet: Veronika Schroeter kennt sich aus mit Messies. Seit 15 Jahren forscht sie zum Messie-Syndrom. Dabei verzichtet sie darauf, vorschnell Ordnung ins Durcheinander zu bringen. Denn das Chaos in den eigenen vier Wänden ist eine Überlebensstrategie. Wer bei Messies einfach mal gründlich entmistet, aufräumt und ordnet, erhöht ihren Leidensdruck. Die Psychotherapeutin über Vorurteile gegenüber Sammelwütigen, die falsch sind.
Eine Liste zum besseren Verständnis von Messis
1. Messies vermüllen sich Tag für Tag
Wir müssen unterscheiden zwischen dem Vermüllungs-Syndrom und dem Messie-Syndrom. Das Vermüllungs-Syndrom unterscheidet sich durch vier Aspekte: In den Wohnungen der Betroffenen ist es feucht, es stinkt, es gibt Schimmelbildung und hat Ungeziefer. Beim Messie-Syndrom ist das anders. Wir sprechen von einer Wertbeimessungs-Störung. Der Messie kann nicht unterscheiden: Ist das für mich wichtig oder unwichtig? Schön oder unschön? Nützlich oder unnütz? Er ist mit allem emotional verbunden.
2. Messies sind mittellos und ungebildet
Das trifft oft zu auf Menschen, die vom Vermüllungs-Syndrom betroffen sind. Bei Messies liegen ganz andere Erkrankungen zugrunde. In unserer Forschung an der Universität Freiburg im Breisgau haben wir festgestellt, dass die meisten Messies der Mittel- und Oberschicht angehören. Sie sind gut ausgebildet und eher wohlhabend.
3. Messies leben einsam und zurückgezogen
Das stimmt auf die eigenen vier Wände bezogen. Ein Messie lässt niemanden zu sich rein. Er schämt sich. Sein Chaos soll niemand zu Gesicht bekommen. In der Aussenwelt aber sind Messies häufig mit anderen verbunden. Sie sind ausgesprochen freundlich, oft überangepasst, unauffällig und kommen nicht selten wie aus dem Ei gepellt daher. Im Beruf laufen sie Gefahr, ausgebeutet zu werden, weil sie sehr schlecht Nein sagen können.
4. Messies sind therapieresistent
Das stimmt nicht. Ich mache immer wieder wunderbare Erfahrungen der Veränderung. Wenn es gelingt, den grossen inneren Gefühlsstau zu verstehen und zu entschlüsseln, kann auch äusserlich aufgeräumt werden. Wer aber vorschnell einfach mal «klar Schiff machen möchte» in der chaotischen Wohnung, bedroht den Überlebensmodus der Betroffenen und richtet somit Unheil an. Aufgeräumt werden muss ganz behutsam von innen her.
5. Messies sind faul, willenlos und bequem
Mit dieser Äusserung tut man den Betroffenen sehr unrecht. Sie leiden an ihrer Störung. Sie können nicht anders als chaotisch sein, weil sie eine grosse innere Blockade haben. Im Leben ausserhalb der eigenen vier Wänden zeigt sich der unerkannte Messie sehr häufig als äusserst arbeitsam und ordentlich. Wer wirklich hilfreich sein will, muss verstehen, welcher Sinn im Symptom steckt und damit sehr behutsam umgehen.
6. Messies behalten im Chaos den Überblick
Das stimmt teilweise. Sie wissen, dass die Geburtsurkunde in einem der Stapel in dieser Ecke ist. Aber sie müssen dann doch noch genau suchen. Wenn Messies erleben, dass jemand bei ihnen aufräumt, bringt sie das innerlich in Aufruhr. Sie bekommen dann ein Chaos im Kopf. Ein weiteres Indiz für den engen Zusammenhang von Innerem und Äusserem.