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Guillermo Arriaga über die Misere Mexikos
Aus Kultur-Aktualität vom 02.05.2022. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 41 Sekunden.

Mexiko in der Misere «Wer sein Land liebt, schreibt nicht nur schöne Dinge»

Guillermo Arriaga hat ein Faible für Geschichten, in denen Gewalt, Schuld, Vergebung und Sex in immer neuen Variationen auftauchen. Der Mexikaner wurde mit seinen Drehbüchern zu Alejandro González Iñárritus Filmen «Amores Perros», «21 Gramm» oder «Babel» weltbekannt.

Arriagas neuer Roman «Das Feuer retten»  blickt schonungslos auf die Misere Mexikos. Er zeigt ein Land, das im Würgegriff skrupelloser Drogenbarone und korrupter Politiker dahindarbt.

Ist Mexiko noch zu retten? Gespräch mit einem, der seine Finger in die Wunden legt.

Guillermo Arriaga

Autor und Filmregisseur

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Der Drehbuchautor, Filmregisseur und Schriftsteller Guillermo Arriaga gehört zu den schillernden Figuren des mexikanischen Kulturlebens. International berühmt wurde er durch seine Drehbücher für Alejandro González Iñárritus Filme «Amores Perros», «21 Gramm» und «Babel».

SRF: Faktisch befindet sich Mexiko in einem aussichtslosen Bürgerkrieg zwischen dem Staat und den Drogenkartellen. Bewaffnete Bürgerwehren nehmen das Heft in die eigene Hand. Bis zu 50'000 Menschen sterben jährlich. Versinkt Mexiko im Chaos?

Guillermo Arriaga: Das ist eine übertriebene Sicht auf Mexiko. Es gibt Gebiete, die wirklich gefährlich sind. Der Südosten und einige Bundesstaaten im Norden sind völlig sicher. In Mexico City fahren nicht ständig Panzer durch die Stadt.

12 der 100 reichsten Menschen der Welt sind Mexikaner. 55 Prozent sind hingegen sehr arm.

Dennoch befindet sich Mexiko gerade am Tiefpunkt. Es kann nur noch bergauf gehen. Wenn man in Mexiko aufs Land fährt, findet man die besten Menschen der Welt. Sie werden dir alles geben, was sie haben. Wenn sie nur eine Tortilla zu essen haben, geben sie dir die Hälfte davon ab.

Was sind die Ursachen der Katastrophe?  

Der Grund für den Bürgerkrieg in Mexiko liegt an unserer globalisierten Wirtschaft. Sie hat viele Menschen in Mexiko zu Millionären gemacht. 12 der 100 reichsten Menschen der Welt sind Mexikaner. Gleichzeitig sind 55 Prozent der mexikanischen Bevölkerung sehr arm. Diese Widersprüche haben nun ihren Siedepunkt erreicht.

Korruption ist wie ein Krebsgeschwür der mexikanischen Gesellschaft.

Mexikos wichtigster Handelspartner sind die USA. Durch das Freihandelsabkommen NAFTA ist Mexiko mit Kanada und den USA wirtschaftlich eng verflochten. Die USA aber fürchten die Mexikaner, die aus ihrem Land in den Norden fliehen und haben ihre über 3'100 Kilometer lange Grenze festungsartig ausgebaut.  

An der Grenze zwischen den USA und Mexiko gibt es eine ganz eigene Lebenswelt: Die meisten Grenzsoldaten sind in Mexiko aufgewachsen, aber US-amerikanische Staatsbürger.

Sie kehren zurück in die Vereinigten Staaten, um dort als Grenzschutzbeamte zu arbeiten und müssen dann Mexikanerinnen und Mexikaner daran hindern, in die USA zu kommen. Das ist paradox, aber Teil der Wirklichkeit, die ich als Filmemacher dokumentiere.

Kurzkritik zum Roman «Das Feuer retten»

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Guillermo Arriagas Roman «Das Feuer retten» ist eine rasante Liebesgeschichte. Sie spielt im vom Bürgerkrieg gegen die Drogenkartelle zerrütteten Mexiko. In sprunghaft montierten Szenen führt uns der Autor durch eine von Gewalt, Korruption und politischen Zerfall gezeichnete Gesellschaft.

Marina Longines, Chefin eines Tanzensembles, ist eine wohlhabende Familienmutter aus der Upper Class Mexico Citys. Sie verliebt sich in den animalisch-intellektuellen Mörder José Cuauhtémoc Huiztlic und gerät in einen mörderischen Strudel, der ihr Leben verändern wird.

Vor dem Hintergrund einer bedingungslosen Liebe zeichnet Arriaga ein schonungsloses Bild der mexikanischen Gesellschaft: Brutale Auftragsmorde und die korrupten Machenschaften der politischen Klasse stehen im schrillen Kontrast zur abgeschotteten Welt der Schönen und Reichen. «Das Feuer retten» ist ein Höllentrip durch Mexikos Gegenwart und ein Plädoyer für die Erlösung durch die unbedingte Liebe.

Sie sind kein Politiker. Was können Sie als Künstler für Ihr Land tun?

Korruption ist wie ein Krebsgeschwür der mexikanischen Gesellschaft. Wenn ich als Autor und Filmregisseur die Korruption in Mexiko ändern will, muss ich zeigen, wie korrupt wir sind und wie schlimm die Dinge stehen. Wenn man sein Land liebt, sollte man nicht nur schöne Dinge über es schreiben.

Blonde Junge in einem Bett
Legende: Obwohl ihn seine Eltern vor dem Land gewarnt haben, landet der Junge Mike in Mexiko – Szene aus dem Film «Babel». IMAGO / Allstar

Für den Film «Babel» von Alejandro González Iñárritu haben Sie diesen denkwürdigen Dialog geschrieben: «Meine Mutter sagt immer, Mexiko sei gefährlich.» – «Stimmt, es ist ja voller Mexikaner.» Das klingt ziemlich sarkastisch.

Das war ein Spass, der auf die US-Amerikaner gemünzt ist, die schon immer eine grosse Furcht vor den Mexikanern hatten.

Das Gespräch führte Sven Ahnert.

Buchhinweis:

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Guillermo Arriaga: «Das Feuer retten». Klett Cotta, 2022.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 02.05.2022, 07:06 Uhr ; 

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