Sie posiert, die Hand in die Hüfte gestützt, den Kopf nach hinten geneigt, die vollen Lippen leicht geöffnet. Beim Fotoshooting im botanischen Garten St. Gallen wird klar: Hanan Osman ist ein Profi. Sie ist konzentriert, setzt die Anweisungen des Fotografen gekonnt um. Der ist sehr zufrieden: «Ein sehr schönes Bild. Und ihre Ausstrahlung: super!»
Hanan Osman ist Model für «modest fashion». Für Kleidung also, die den islamischen Kleidervorschriften entspricht. Arme, Beine und Ausschnitt sind bedeckt, dazu trägt man ein Kopftuch.
Ein Blick in Osmans Instagram-Account zeigt, wie modisch und vielfältig «modest fashion» sein kann: Kleider, Blusen, Hosen – im Alltagslook oder ausgefallen. Das Kopftuch zum Turban gebunden, dann wieder ganz klassisch den Hals bedeckend. «Hauptsache es ist bequem, verrutscht nicht und bedeckt, was es bedecken soll», sagt Hanan Osman. «Und trendy muss es sein.»
«Modest fashion» liegt im Trend
Mit über 57'500 Followerinnen und Followern ist Osman eine Hijabista, eine Mode-Influencerin mit Kopftuch. Daneben arbeitet sie als medizinische Praxisassistentin im Spital und hat vor Kurzem einen Laden für «modest fashion» eröffnet.
Damit liegt sie im Trend: Die «New York Fashion Week» zeigte «modest fashion». Die Modezeitschrift «Vogue» widmete ihr eine Titelgeschichte und sprach von Umsätzen von rund 44 Milliarden Dollar. Wenig Haut zu zeigen scheint auch für viele nicht-muslimische Frauen attraktiv.
Hanan Osman hat sich vor drei Jahren wegen ihres Glaubens für Kopftuch und islamkonforme Mode entschieden. «Ich war schon immer religiös, habe gefastet und gebetet», erzählt die 29-Jährige. «Aber irgendetwas fehlte.» Also hat sie das Kopftuch ausprobiert und gemerkt: Das passt.
Kritik von allen Seiten
Die Reaktionen von Freundinnen und Bekannten waren gemischt. «Die meisten waren positiv. Bei einigen habe ich aber den Kopf geschüttelt.» So wurde sie gefragt, ob sie geheiratet habe. Ein abwegiger Gedanke, findet Hanan Osman.
Ihre Art sich zu kleiden sei eine Sache zwischen ihr und Gott. «Männer haben bei der Frauenkleidung gar nichts zu melden.» Diese Botschaft würde sie am liebsten auf ein T-Shirt drucken, sagt sie lachend.
Kritik gibt es auch von muslimischer Seite. Bei der islamisch-sittlichen Kleidung gehe es traditionell darum, nicht aufzufallen, erklärt Islamwissenschaftlerin Silvia Martens von der Universität Luzern. Das passt nicht zu Hijabistas, die sich als Model oder in den sozialen Medien in Szene setzen.
Auch Hanan Osman hat negative Kommentare erhalten auf Instagram. Doch sie steht zu ihrem Lebens- und Kleidungsstil. «Für mich stimmt die Kombination von Mode und islamischer Kleidung.» Sorge mache ihr nur, dass solche Kommentare junge Musliminnen abschrecken könnten, ihren eigenen Kleidungsstil zu finden.
Vorbild für junge Musliminnen
Hijabistas seien Vorbilder, sagt Islamwissenschaftlerin Silvia Martens. Das sei zentral bei diesem Phänomen, besonders in Gesellschaften, in denen erfolgreiche Frauen mit Kopftuch Seltenheitswert haben.
Ein Vorbild zu sein, das ist auch Hanan Osman wichtig. «Ich möchte zeigen, dass man Kopftuch tragen und gleichzeitig alles machen kann, was man möchte – egal was die Gesellschaft sagt.»