Zum Inhalt springen
Ein buddhistischer Mönch steht mit gefalteten Händen und gesenktem Blick vor einem Protestplakat.
Legende: Nicht nur Friede: Ein buddhistischer Mönch bei anti-muslimischen Protesten im Westen Burmas. Keystone

Mönche im Krieg Gewalt im Namen Buddhas

Erschreckt blickt der Westen auf Gewaltausbrüche in buddhistisch geprägten Ländern, wie jüngst in Burma. Ist der Buddhismus nicht per se eine gewaltlose Religion? Ein westlicher Irrtum, erklärt die Religionswissenschaftlerin Inken Prohl – am Beispiel von Japan im Pazifikkrieg.

Szene in einem buddhistischen Kloster: Früh morgens bringen Mönche sorgsam einzelne Schnecken aus der Gefahrenzone. Niemand soll versehentlich eines der Kriechtiere zertreten.

Zur Person

Box aufklappen Box zuklappen

Die Religionswissenschaftlerin und Japanologin Inken Prohl ist Kennerin des Buddhismus. Ihr Buch «Zen für Dummies» führt in die buddhistische Schule des Zen ein. Das Kapitel «Zen und Krieg» vertieft das Thema Buddhismus im japanischen Expansionskrieg.

Mitgefühl und Frieden?

Menschen oder Tieren soll kein Leid zugefügt werden. Dieses Gebot besteht in allen Traditionen des Buddhismus. Deshalb gilt der Buddhismus vor allem im Westen als Religion des Friedens. Das macht buddhistische Praktiken so beliebt – manche sagen, Buddhismus sei keine Religion, sondern eine Philosophie.

Mitgefühl und Frieden – aus Burma erreichen uns aber derzeit andere Botschaften. Seit Monaten fliehen dort Rohingyas über die Grenze nach Bangladesch. Viele ertrinken im Fluss, ein Ende des Flüchtlingselends ist nicht absehbar. Wie kann es denn sein, dass ein buddhistisch geprägtes Land wie Burma so viel Leid produziert?

Rohingyas auf der Flucht: Eine Gruppe Menschen geht hintereinander, vorne trägt ein Mann eine alte Frau.
Legende: Viele muslimische Rohingyas fliehen zur Zeit aus Burma. Getty Images

Tötungsverbot oder Verbreitung des Dharma?

«Buddhistische Traditionen sind nicht einfach gewaltfrei», sagt die Religionswissenschaftlerin und Buddhismus-Kennerin Inken Prohl.

In buddhistischen Texten, wie in allen Religionen, können Sätze so oder anders ausgelegt werden: «In vielen buddhistischen Auslegungstraditionen findet man diese Standardaussage: Was der Verbreitung des Dharma (übersetzt etwa: buddhistische Wahrheit) hilft, ist in Ordnung, auch wenn das die Anwendung von Gewalt bedeutet.»

Für Prohl ist Buddhismus nicht per se eine gewaltfreie Religion. «Natürlich gibt es zahlreiche buddhistische Akteure, die zu Gewaltlosigkeit aufrufen, wie der Dalai Lama oder der japanische Religionsführer und Schriftsteller Ikeda Daisaku. Und natürlich kennt die buddhistische Ethik das Tötungsverbot.»

Mehr zum Thema

Box aufklappen Box zuklappen

Buddhismus ist eine friedliche Religion – so die gängige Meinung. In Burma zeigt sich seit ein paar Jahren ein anderes Religionsverständnis. Dort schürt eine Gruppe buddhistischer Mönche Hass gegen Andersgläubige. Ihr prominentester Anführer ist Ashin Wirathu. Ein Besuch.

Trost im Krieg

Ein besonders augenfälliges Beispiel für buddhistische Rechtfertigung von Gewalt ist in Japan zu finden. In den Kriegen der japanischen Kaiserzeit spielte der buddhistische Klerus eine wichtige Rolle.

Mönche und Priester begleiteten die japanischen Truppen als Feldprediger in die Kriege mit China (1894-95) und Russland (1904-05). Sie hielten «dharma talks», buddhistische Unterweisungen für Soldaten. Sie besuchten Verwundete und hielten Gedenkrituale für die Gefallenen.

Samurai und «Bushido» inspirieren Kriegsideologie

Im Zweiten Weltkrieg führte das japanische Kaiserreich einen aggressiven Eroberungskrieg in Asien. Dabei spielte ein bestimmter Ethos eine wichtige Rolle, der vom Buddhismus mitgeprägt sein soll.

In diesem Ethos verbanden sich alte Samurai-Traditionen mit «Bushido», dem Ehrenkodex der japanischen Kriegerklasse, auf Deutsch etwa: «Weg des Kriegers», zu einer verhängnisvollen Mischung. Buddhistische Praktiken wie die Kunst des «Nicht-Denkens», der Selbstdisziplinierung und das Ideal der Selbstauflösung wurden manipuliert und verdreht.

Eine ultranationalistische Ideologie motivierte japanische Soldaten, sich dem Kaiser und seinen Kriegszielen bedingungslos zu unterwerfen – bis zur Selbstzerstörung. Traurig berühmt wurden insbesondere die zum Teil blutjungen Kamikaze-Piloten. Japan schickte allein im Frühjahr 1945 im Kampf um Okinawa gegen 1800 Kamikaze-Flieger in den Tod.

Ein buddhistischer Mönch sitzt im Schneidersitz und liest in einem Glaubenstext, im Hintergrund tun es ihm viele gleich.
Legende: Der Buddhismus lehrt Friede? Hardliner in Ashin Wirathus Masoeyein-Kloster legen das anders aus. Getty Images

Fantasieprodukt des Westens

Fast alle buddhistischen Schulen waren an der Legitimation von Ultranationalismus und Krieg beteiligt. Wie die zwei Flügel eines Vogels habe der buddhistische Klerus die japanische Regierung unterstützt, sagt Inken Prohl.

Buddhistische Schriften würden auch in anderen Regionen, zum Beispiel in Tibet oder aktuell in Burma bis heute dazu missbraucht, kriegerisches Handeln zu begründen. Die verhängnisvolle Verbindung zwischen buddhistischer und politisch-militärischer Macht durchziehe die Geschichte der verschiedenen Traditionen des Buddhismus der Welt.

Die Vorstellung vom Buddhismus als einer völlig gewaltfreien Tradition ist ein Fantasieprodukt des Westens. Die Geschichte zeigt ein anderes Bild.

Prohl legt aber Wert darauf, dass auch in Japan während des 2. Weltkriegs nicht alle buddhistischen Autoritäten der Kriegsideologie folgten: «Man darf nicht vergessen, dass es zu der Zeit einen buddhistischen Widerstand gab.» Wie wirkungsvoll dieser Widerstand auch sein mag, man wünscht ihn sich heute in Burma.

Sendung: SRF 1, Sternstunde Religion, 12.11.2017, 10:00 Uhr.

Meistgelesene Artikel