- Der Helikopterangriff aus «Apocalypse Now» hat Filmgeschichte geschrieben, zynischer hat man Krieg nicht gesehen.
- Coppola verdrehte nur für diese Sequenz soviel Material wie die Distanz zwischen Basel und München.
- Implizit vergleicht er in dieser Szene amerikanische GIs mit den nationalsozialistischen Fallschirmjägern über Kreta im Zweiten Weltkrieg.
Baler Bay, Philippinen, 1976. Die Hitze und die Feuchtigkeit sind überwältigend. In der Luft mischt sich das Meeressalz mit den Dämpfen von 4‘500 Litern Benzin, die das Special-Effects-Team am Rande des Dschungels ausgeschüttet hat.
Eine Gruppe Helikopter wartet in der Luft auf das Signal zum Angriff, während im kleinen Fischerdorf hunderte von Statisten darauf warten, die Flucht zu ergreifen.
«Action!» Regisseur Francis Ford Coppola startet sein teuflisches Aufziehspiel; das Dorf versinkt für zehn Minuten im Chaos des Krieges. Nach 10 Minuten müssen die Filmrollen der acht Kameras, die das Höllenspektakel aufzeichnen, nachgefüllt werden.
Helikopter, die Marcos für den echten Krieg braucht
Coppola dreht «Apocalypse Now». Der Helikopterangriff ist die grösste logistische Herausforderung seines Lebens. Da das US-Militär die kriegskritische Produktion nicht unterstützt, ist der Coppola auf die Hilfe des philippinischen Präsidenten Ferdinand E. Marcos angewiesen. Dieser leiht ihm Helikopter seiner Luftwaffe.
Coppola und sein Team bauen ganze Dörfer, um sie danach niederzubrennen. Jeden Tag fliegen neue Piloten der philippinischen Armee den fiktiven Angriff. Sie haben von der ausgeklügelten Choreographie keine Ahnung. Keine Aufnahme gelingt perfekt. Mit jedem misslungenen Take verbrennen zehntausende Produktionsdollar.
Schlimmer noch: Regelmässig werden Helikopter abgezogen, um gegen philippinische Rebellen zu kämpfen. Vom Set fliegen die Helikopter in den echten Krieg und wieder zurück, oftmals ohne die filmischen Kennzeichen der US-Luftwaffe abzulegen. Fünf Wochen geht das so. Alles scheint aus dem Ruder zu laufen.
Coppola setzt amerikanische GIs implizit mit Nazis gleich
Coppola befürchtet, einen allzu pompösen Film zu einem ihm wichtigen Thema zu machen. Er ist mittlerweile sicher zu scheitern. Das Chaos artet aus. Coppola droht nicht nur der künstlerische, sondern auch der ökonomische Ruin. Er finanziert einen Löwenanteil des Filmes aus privater Tasche.
Sendungen zum Thema
- «La folie Almayer» (Box Office, 31.3.2013) «La folie Almayer» (Box Office, 31.3.2013)
- Youth Without Youth (Kino aktuell, 26.3.2008) Youth Without Youth (Kino aktuell, 26.3.2008)
- «Im Herzen der Finsternis» von krautproduktion (3.4.2009) «Im Herzen der Finsternis» von krautproduktion (3.4.2009)
- Dokumentarfilm «Hearts of Darkness: A Filmmaker's Apocalypse» Dokumentarfilm «Hearts of Darkness: A Filmmaker's Apocalypse»
Coppolas Bedenken sind begründet: Eine kritische Reflexion über die Niederlage der Amerikaner in Vietnam beurteilten die meisten Produktionsfirmen bereits vor den Dreharbeiten als ökonomischen Suizid. Ausserdem lehnt sich die Inszenierung des Helikopterangriffs an einen Bericht der NS-Wochenschau über einen Naziangriff auf Kreta an: amerikanische Soldaten in Vietnam werden implizit mit den Nazis gleichgesetzt.
«The movie is not about Vietnam. It is Vietnam»
Im Dreh-Chaos von Baler Bay ahnt Coppola noch nichts davon, dass sein Film 2007 Platz 30 auf der AFI-Liste der besten Filme aller Zeiten einnehmen wird. Und dass die Szene des Helikopterangriffes eine der einflussreichsten und meistzitierten Ikonen des Kriegsfilmes werden wird.
«The movie is not about Vietnam. It is Vietnam. We were in the jungle. There were too many of us. We had access to too much money, too much equipment – and little by little, we went insane», wird Coppola bei der Premiere in Cannes der Presse vermelden.
Bis dahin wird er 380‘000 Meter Film belichtet haben – ungefähr die Strecke von Basel nach München. Für jede Minute des fertigen Filmes dreht Coppola 95 Minuten Rohmaterial. 16 Monate werden Filmdreh und die Arbeiten am Schnittplatz dauern, bis 1976 eine erste Fassung in den Kinos anlaufen kann. Coppolas Leidensgeschichte wird damit nicht beendet sein.
Er wird daran zweifeln, das richtige Ende gefunden zu haben. Bis ins Jahr 2001, als er den Film unter dem Titel «Apocalypse Now: Redux» in die Kinos bringen wird – endlich zufrieden mit seinem Meisterstück.