- Zehn Frauen wurden 1971 auf Anhieb in den Nationalrat gewählt, zwei rückten kurz darauf nach.
- So unterschiedlich ihre politische Überzeugung sein mag, sie alle haben sich für das Frauenstimmrecht stark gemacht.
- Viele politische Veränderungen der nächsten Jahre sind ihnen zu verdanken, wie etwa ein neues Eherecht.
Gruppenbild mit Damen
Das Bild ist gestellt und erinnert an ein Klassenfoto eines Töchterinstituts im letzten Jahrhundert. In der hinteren Reihe stehen sieben Frauen mit durchgedrücktem Rücken vor einer Wand mit golden verzierten Buchdeckeln.
Auffallend sind zwei weisse Krägen und viel braver Stoff. Nur eine Frau tanzt modisch aus der Reihe und strahlt als einzige über das ganze Gesicht. Dabei zeigt sie erst noch Zähne. Es ist die Frau, die als erste für den Bundesrat kandidieren wird, die Zürcher Sozialdemokratin Lilian Uchtenhagen.
Für den Bundesrat zu «emotional»
Trotz der Frohnatur, die sie hier abgibt, wird ihr später das Lachen vergehen. Denn Bundesrätin wird sie nicht: Zu emotional und nicht belastbar genug, lautet das Verdikt. Dafür wird Otto Stich nach Bern geholt, ein Mann, der später im Bundeshaus – alle sind gerührt – Tränen vergiesst.
Doch bleiben wir im Bild. Fünf weitere Frauen posieren vorne. Die meisten sitzen mit züchtig drapierten Beinen beieinander, und manch eine Hand sucht die andere. Auch vorne ist es nur eine, die abweicht: die Walliser Sozialdemokratin Gabriele Nanchen. Sie schlägt die Hosenbeine lässig übereinander. Sie lehnt zurück und betrachtete das Arrangement aus Distanz.
Frauen mit grosser politischer Erfahrung
Raumgreifend ist hier nur einer, der Fotograf im Bild. Er bannt etwas verkniffen den historischen Moment. Die ersten Nationalrätinnen der Schweiz lassen sich 1972 gemeinsam fotografieren. Zehn wurden 1971 auf Anhieb in den Nationalrat gewählt, zwei rückten kurz darauf nach.
Für die Historikerin Elisabeth Joris zeigt das Bild eine grosse Diversität. Es kommen Politikerinnen nach Bern, die sich in Partei, Beruf und Herkunft stark unterschieden, doch alle haben sie sich für das Frauenstimmrecht stark gemacht.
Wüste Beschimpfungen
Da ist Tilo Frey, die selbstbewusste Neuenburger Freisinnige, die vorne links im cremefarbenen Kleid sitzt. Wegen ihrer Hautfarbe – sie hat kamerunische Wurzeln – wird ihre Karriere bald gestoppt, sie wird als «sale negresse» beschimpft.
Und da ist weiter die christlich-demokratische Politikerin Elisabeth Blunschy-Steiner. Sie vertritt die konservativ-katholischen Frauen im Land. Auch sie selbstbewusst, hat sie sich doch selbst mit Bischöfen angelegt, um den Frauen zu allen politischen Rechten zu verhelfen.
Sendungen zum Thema
Gemeinsam ist den Nationalrätinnen der ersten Stunde: Alle sind bereits seit langem politisch tätig. Etwa Nelly Wicky, die ihre Karriere zuvor in der Partei der Arbeit im Kantonsparlament in Genf begonnen hat. Oder die Zürcher Nationalrätin Hedi Lang, die sich schon als Gewerkschafterin einen Namen gemacht hat.
Hausgemachter Widerstand
Trotz der politischen Erfahrung, die die Frauen mitbringen, stossen sie auf Widerstand. Ihre volkswirtschaftlichen und finanzpolitischen Kompetenzen werden, so Elisabeth Joris, weitgehend ignoriert. Die Männer im Parlament sehen die Frauen eher dort, wo es um sozial Schwache, um das Schulwesen und die Krankenkassen geht.
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Doch viele Veränderungen in den nächsten Jahrzehnten werden nur möglich dank dem Engagement der Parlamentarierinnen der ersten Stunde. So bringen sie das Thema Gewalt in der Ehe – ein Tabu – aufs Tapet. Sie verbessern die Stellung von unverheirateten Frauen mit Kindern. Sie kämpfen für ein neues Eherecht.
So entscheiden seit 1988 Frauen selber, ob sie berufstätig sind und was sie mit ihrem Vermögen machen. Auch dass die Fristenlösung und der Mutterschutz zum Thema werden, ist ihnen zu verdanken.
Für die Historikerin Elisabeth Joris ist das Fazit klar: «Die Parlamentarierinnen der ersten Stunde haben massgeblich zur gesellschaftlichen Erneuerung der Schweiz beigetragen.»