SRF: Wer die Doku-Serie «Story of God» (siehe Textbox) sieht, fragt sich: Welche Neugierde treibt Sie an, überall auf der Welt nach Gott und Glaube zu suchen?
Morgan Freeman: Ich bin mit Gott aufgewachsen. Meine Grossmutter war nicht im engen Sinn religiös, aber sie war gläubig. Sie pflegte zu sagen, was man Kindern oft sagt: «Gott ist Liebe».
Mit ungefähr 13 Jahren begann ich all das zu hinterfragen. Das tue ich heute noch. Mit der Serie «Story of God» bekam ich die Gelegenheit, ins Thema Glaube einzutauchen und mich auf die Suche nach Antworten zu machen. Oder zumindest andere Vorstellungen von Gott und Glaube kennenzulernen. Das hat mich fasziniert.
Ich habe gehört, Sie besitzen eine Bibliothek mit religiösen Büchern?
Ja, das tue ich. Ich habe den Koran, ich habe etwa fünf verschiedene Bibeln. Alles, was mit Religion zu tun hat, interessiert mich.
Was fasziniert Sie daran?
Seit längerer Zeit bin ich überzeugt, dass wir allen gottähnlichen Dingen gegenüber von Ehrfurcht erfüllt sind. Wissen Sie, woher das englische Wort für Ehrfurcht, «awe» stammt?
Nein.
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Mensch der Frühzeit und üben sich im aufrechten Gang. Sie sind Jäger und Sammler und streifen umher. Plötzlich explodiert ein Vulkan vor Ihnen, die Bergspitze wird weggeblasen.
Was sagen Sie? «Awe». «Awe» ist der Beginn von Gott, der Beginn von etwas, was wir nicht verstehen.
Wir sind allen gottähnlichen Dingen gegenüber von Ehrfurcht erfüllt.
Sie sind einer der wenigen Menschen auf Erden, die auf überzeugende Weise Gott gespielt haben – in der Filmkomödie «Bruce Almighty» von 2003. Wie fühlte es sich an, diese Rolle zu spielen?
Die Rolle war ganz ok, es machte Spass, mit Jim Carrey zu spielen. Was danach kam, war weniger lustig.
Warum?
Die Leute begannen, mich mit Gott zu assoziieren. Sie machten Sprüche wie: «Nun, da Du Gott bist, könntest Du mal den Regen stoppen?»
Wenn manche Leute an Gott denken, haben sie vielleicht Morgan Freeman vor Augen. Wie sehen Sie Gott?
Ich glaube nicht, dass es ein Bild von Gott gibt. Ich mag
Lichtstrahlen, die durch die Wolken dringen. Ich mag die Milchstrasse in einer klaren Sternennacht. Ich mag die weite Sicht, wenn der Vollmond scheint. Das ist für mich Gott: Der Kern der Existenz. Die Begegnung mit dem grossen Unbekannten.
Was möchten Sie mit der Serie «Story of God» vermitteln?
Wir leben in einer Zeit, in der die Leute in Glaubensfragen vor allem die Unterschiede und Differenzen sehen. Wir möchten die Gemeinsamkeiten aufzeigen. Es gibt so viele Gemeinsamkeiten.
Zwischen den grossen Weltreligionen?
Ja, es gibt drei grosse Weltreligionen, und jede von ihnen hat je etwa acht oder neun «Tochter-Religionen». Ich liebe das.
Gott wird oft beschworen: am Fernsehen, im Zusammenhang mit der Nahostkrise oder während der Präsidentschaftswahlen. Ich glaube, es ist gerade in dieser Zeit enorm wichtig, sich damit auseinanderzusetzen: Was für Beziehungen haben wir und andere Völker zu Gott?
Das ist für mich Gott: Die Begegnung mit dem grossen Unbekannten.
Was haben Sie dabei gelernt?
Etwas, das ich nicht wusste: die Reinkarnation ist verbindlich. Man ist an die Erde und an die physische Existenz gebunden. Man kommt wieder und wieder zurück, bis man alles richtig gemacht hat und befreit ist.
Wir waren in Varanasi in Indien, der heiligen Stadt am Ganges. Dort lernten wir, dass es eine Abkürzung gibt. Man kann nach Varanasi reisen, dort sterben und beim Fluss kremiert werden. Dann muss man nicht wiederkommen. Nun wissen Sie, wohin ich bald reisen werde!
Gab es Probleme beim Besuch der heiligsten Stätten der Welt?
Nur in der Grabeskirche in Jerusalem. Wir wurden rausgeschmissen.
Wegen der Kameras?
Nein, wegen mir. Ich konnte meine Klappe nicht halten. Ahnungslos benutzte ich ein Wort, das dort offenbar nicht erlaubt ist. Wir waren bei einem Grab, wo die Kreuzigung Jesu‘ stattgefunden haben soll. Ich sprach von «Mythos». Unmittelbar danach wir wurden gebeten, den Ort zu verlassen: Raus.
In Ihrer Rolle als Gott in «Bruce Almighty» sagen Sie einmal: «Die meisten Leute mögen das Licht nicht, weil sie es vorziehen, im Dunkeln zu leben.» Glauben Sie, dass diese Zeile stimmt?
Es ist etwas arrogant, von den «meisten Leuten» zu sprechen. Aber ich glaube, der Satz hat was. Viele mögen das Licht nicht, sie leben lieber im Dunkeln. Aufklärung (engl.: «enlightenment») ist in dieser Hinsicht ein interessantes Konzept. Aber auch ein unheimliches.
Das Gespräch erschien ursprünglich am 29.3.2016 in der Zeitschrift «National Geographic». Autor: Daniel Stone. Übersetzung: Christa Miranda.
- Sendung: SRF 1, Sternstunde Religion, 31.12.17, 10 Uhr