SRF: Was ist das Absurdeste, das Sie je entsorgen mussten?
Herr Li: Ich finde ständig seltsame Dinge. Die Leute werfen ganze Sofas weg, die stehen dann neben den Mülleimern auf der Strasse. Ich habe auch schon eine kaputte Kloschüssel zusammengelesen. Das kommt aber seltener vor.
Welchen Gegenstand aus ihrem Besitz würden Sie nie wegwerfen?
Ich werfe grundsätzlich nichts weg. Als jemand der von einem Bauerndorf stammt, bin ich es mir gewöhnt, nichts wegzuwerfen, solange es noch funktioniert oder man es reparieren kann. Ich habe zuhause einen Fernseher, den ich im Müll gefunden habe. Den würde ich selbst nie wegwerfen.
Wie sind Sie Müllmann geworden?
Früher habe ich auf dem Bau gearbeitet, zehn Jahre lang. Das war sehr anstrengend. Deshalb sammle ich jetzt Müll ein und putze die Strasse. Das mache ich seit rund fünf Jahren. Ein Bekannter hat mich auf den Job aufmerksam gemacht.
Worauf sind Sie stolz in ihrem Beruf?
Ich bin stolz, dass ich mehr verdiene, als wenn ich zuhause im Dorf das Feld bestellen würde. Und ich bin auch stolz darauf, dass ich mit meiner Arbeit die Stadt sauber halte.
Die Shanghaier selbst würden nie einen solchen Job wie ich verrichten. Wenn wir Auswärtigen die Stadt verliessen, würden die Shanghaier im Müll versinken.
Wie verbringen Sie ihre Freizeit?
Ich habe nicht so viele Freizeit, ich arbeite rund 13 Stunden am Tag. Wenn ich am Abend noch Zeit habe und nicht müde bin, gehe ich den Park, spaziere dort, schaue mir die Leute an, zum Beispiel die Menschengruppen, die dort tanzen. Spätestens um 10 muss ich aber ins Bett, da ich um vier Uhr wieder aufstehen muss.
Was gefällt Ihnen an Shanghai?
An Shanghai gefällt mir am meisten, dass man hier gut verdient.
Welchen Wunsch haben sie für ihre Zukunft?
Ich bin jetzt 51 Jahre alt. Mit 60 möchte ich hier aufhören und zurück in mein Bauerndorf in der Provinz Jiangsu, um dort meinen Lebensabend mit meiner Frau, den Kindern und dem Enkelsohn zu verbringen.
Wieviel verdienen Sie im Tag?
Je nach Arbeitsaufwand zwischen 120 und 400 Yuan (umgerechnet zwischen CHF 18 und 58). Wenn viel los ist, dann verdiene ich mehr.
Das Gespräch führte Mario Aldrovandi.