Wer im Irland des 20. Jahrhundert vor der Ehe schwanger wurde, landete meist in einem «Mother and Baby Home». Heute ist bekannt, dass diese von römisch-katholischen Nonnen geführten Institutionen oft grausame Orte waren.
Die schwangeren Frauen mussten teilweise harte, körperliche Arbeit verrichten, sie erhielten schlechte medizinische Versorgung und ihnen wurden ihre Neugeborenen oft gegen ihren Willen weggenommen.
Unter Gewalt zurück nach Irland
Terri Harrison wuchs im Dublin der 1960er-Jahre auf. Ihr Leben sei von Angst geprägt gewesen, als Frau sei man von Anfang an untergeordnet gewesen. «Die Religion durfte man auf keinen Fall hinterfragen», meint die Musikerin.
Harrison war 18 Jahre alt, als sich ihr Leben komplett veränderte: Sie wurde schwanger. Daraufhin floh sie nach London, denn sie habe gewusst, dass das streng römisch-katholische Irland kein guter Ort sei für eine unverheiratete, schwangere Frau.
Kurze Zeit später brachte sie ein Priester unter Anwendung von Gewalt zurück nach Irland. Terri Harrison kam in ein «Mother and Baby Home».
Sünderinnen im Arbeitslager
«Ich war in der Hölle gelandet», beschreibt sie den Ort. Die folgenden Monate waren nur schwer zu ertragen für die erwartende Mutter. Sie musste Böden schrubben, im Garten arbeiten, Wäsche waschen oder Rosenkränze herstellen.
Die Heime seien wie Arbeitslager gewesen, niemand habe sich um sie gekümmert. «Wir waren Gefangene. Wir galten als Sünderinnen, doch wir waren alle noch Mädchen», erklärt Terri Harrison. Die Älteste im Heim sei 20 Jahre alt gewesen, die Jüngste erst 14.
Terri Harrison überlebte die Geburt ihres Sohnes nur knapp. Er blieb nicht lange bei ihr: «An einem Samstagmorgen wollte ich zu ihm, um ihn zu füttern. Sein Bettchen war leer», erzählt sie. Ihr Sohn wurde von einer anderen Familie adoptiert. Sie habe dafür nie eingewilligt.
Geschichten ohne Abschluss
Das ist nun 50 Jahre her, doch die Geschichte ist für Terri Harrison noch nicht abgeschlossen. Sie kämpft bis heute mit anderen Betroffenen um eine gerechte Anerkennung und um Kompensation durch den Staat und die römisch-katholische Kirche.
Die Schauspielerin Noelle Brown setzt sich seit Jahren für die Rechte von Adoptierten in Irland ein. Sie selbst wurde 1965 in einem «Mother and Baby Home» geboren und mit 8 Wochen adoptiert.
Sie habe eine glückliche Kindheit gehabt, trotz des Stigmas, das adoptierten Kindern anhaftete: «Uns wurde gesagt, dass wir neben der Erbsünde noch eine zweite Sünde in uns trugen, weil wir ausserhalb einer Ehe geboren worden waren», meint sie.
Noelle Brown begann 2002 nach Informationen zu ihrer Geburt zu suchen, doch sie musste lange kämpfen, um an ihre Akten zu kommen. Diese wurden bis vor Kurzem noch von den Nonnen verwaltet, die im «Mother and Baby Home» gearbeitet hatten, in dem Noelle Brown geboren worden war.
Der Name ihres leiblichen Vaters wurde Brown 17 Jahre lang verschwiegen. Bis heute versucht sie, Zugang zu ihren medizinischen Akten zu erhalten, denn sie vermutet Schlimmes: Heute ist bekannt, dass Impfexperimente an den Neugeborenen in den Heimen durchgeführt wurden. So auch 1965 in Bessborough, dem Geburtsjahr und Geburtsort von Noelle Brown.
Staat und Kirche sollen das Unrecht anerkennen
Obwohl es seit 2006 keine «Mother and Baby Homes» in Irland mehr gibt, ist die Geschichte für die Betroffenen nicht abgeschlossen. Der irische Staat hat die römisch-katholische Kirche ihrer Meinung nach auch nach mehreren Untersuchungen nicht genügend zur Rechenschaft gezogen. Die beiden Überlebenden bestätigen: Sie werden nicht locker lassen, bis der Staat und die Kirche das Unrecht endlich richtig anerkennen.