2008 ist Stefan Müller noch tätig in einem Sanitärbetrieb. Doch die Finanzkrise bringt die Firma ins Straucheln, sein Job steht auf der Kippe. Eine neue Stelle in der Branche sucht er sich allerdings nicht. Lieber will er seine psychischen und physischen Grenzen austesten – und das geht nirgends besser als in der Fremdenlegion, denkt sich der damals 23-Jährige.
Sinnlose Kämpfe, heldenhaft Gefallene
Ein Jahr später fährt Stefan Müller nach Strassburg und meldet sich zum Dienst in der Eliteeinheit. Noch bevor die Ausbildung anfängt, wird er mit anderen Rekruten noch eingeschworen darauf, was ihn erwartet. Ein kleiner Geschichtsunterricht gibt ihm Einblick über all die teils sinnlosen Kämpfe und Schlachten der Legion, Legenden um heldenhaft Gefallenen. Gerühmt werden selbst verlustreiche Einsätze, nur zu einem Ziel: Die Rekruten sollen bereit gemacht werden für die unbegrenzte Opferbereitschaft und bedingungslosen Gehorsam.
Selbstverwirklichung nicht erwünscht
Fünf Jahre verpflichtet sich der Deutsche mit russischen Wurzeln für den Militärdienst. Am Anfang steht der harte Drill. Stefan Müller wird mit Kälte, Hunger und Durst sowie Märschen in der Mittagshitze drangsaliert, gepaart mit Beleidigungen der Ausbilder. Die Legion will Müller und seine Kameraden zu Befehlsempfängern machen.
Eigenständige Persönlichkeiten sind in der Fremdenlegion nicht erwünscht, der Selbstverwirklichungsdrang wird den Rekruten ausgetrieben. «Wenn man anfängt nachzudenken, warum ich genau das gerade tue, dann ist man definitiv falsch in der Legion», sagt Müller. Die Abenteuerlust, der Wunsch auf schnellen Kriegseinsatz trieb ihn zum Dienst. Doch nach wenigen Wochen ist nur noch der Wille zu Pflichterfüllung übrig.
Der Tod war kein Thema
Aus Stefan Müller wird der Soldat Karl Mahler. Wie alle anderen Fremdenlegionäre bekommt er eine neue Identität. Keiner der Soldaten soll mit seinem Leben vor der Legion in Verbindung gebracht werden. Früher suchten deshalb Kriminelle Unterschlupf in der Armee. Doch die Zeiten sind vorbei. Die Fremdenlegion kann sich vor Bewerbern kaum retten und siebt streng aus. Nur jeder achte bis zehnte wird Legionär.
Viele nutzen den Militärdienst als Neuanfang. Denn die meisten unterschreiben bei der Fremdenlegion, weil sie keine Arbeit finden und sonst kaum Perspektiven haben. Besonders viele Legionäre stammen aus afrikanischen Ländern. Sie hoffen auf die französische Staatsbürgerschaft. Mit ihrem Sold unterstützen sie ihre Familien.
Die Fremdenlegion bringt Stefan Müller an die Elfenbeinküste, nach Senegal und in die Arabischen Emirate. Immer hofft er auf den Kampfeinsatz. Doch erst 2013, in Mali, kämpft und tötet er auf Patrouille Dschihadisten. «Stolz war darauf keiner von uns», erinnert sich Müller, «der Tod war kein Thema.»
«Durchgelutscht und ausgespuckt»
Beiträge zum Thema
Nüchtern bis ernüchternd aber auch detailreich beschreibt Stefan Müller in seinem Buch «Mythos Fremdenlegion» die französische Eliteeinheit als eine Berufsarmee mit besonderen, bisweilen seltsamen Ritualen. Als Stefan Müller seine Dienstzeit nicht verlängert, hat die Legion keine Verwendung mehr für ihn. Er ist austauschbar – und nur eine Nummer an der Front. «Nach fünf Jahren gibt es keine Vorbereitung auf das zivile Leben. Ich habe mich am Ende gefühlt wie ein Kaugummi: durchgelutscht und ausgespuckt.»
Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 24.9.2015, 17.45 Uhr