Am 5. Mai 1821 hat sein qualvoller Todeskampf ein Ende: Napoleon Bonaparte stirbt um elf Minuten vor sechs Uhr morgens.
Das Ende kommt im Nirgendwo: Auf der Insel St. Helena, mitten im Südatlantik, wohin ihn die Briten 1815 verbannt hatten. Auf einer windig-feuchten Hochebene steht noch heute das «Longwood House», Napoleons letzte Residenz, das der französische Staat 1858 erworben hat.
Das Napoleon-Haus: heute ein Museum
Michel Dancoisne-Martineau, seit 1987 französischer Honorarkonsul auf St. Helena, hat das Haus wieder exakt so hergerichtet, wie es sich 1821 präsentierte. Heute ist es ein Museum, eine Trikolore flattert neben dem Eingang.
«Als Napoleon ankam, war das Haus drauf und dran zu verfaulen», sagt Dancoisne-Martineau. Im Sommer sei es ein angenehmer Ort, jedoch völlig ungeeignet für die Wintermonate.
Napoleon wurde von 2000 Soldaten bewacht
Napoleon verbrachte seine letzten Jahre hier, zusammen mit einer kleinen Entourage – und zusammen mit den zahlreichen Ratten, von denen das Haus befallen war. Im Grunde genommen waren Haus und Insel ein grosses Hochsicherheitsgefängnis.
Über 2000 britische Soldaten bewachten Napoleon, zwei Kriegsschiffe umkreisten beständig die Insel. Eine Flucht, wie sie Napoleon aus seinem ersten Exil auf der Insel Elba gelungen war, war ausgeschlossen: Die Insel, bis heute in britischem Besitz, ist von hohen Klippen umgeben, das nächste Festland ist fast 2000 Kilometer entfernt.
Gartenarbeit und viel Zeit in der Badewanne
Napoleon las viel im Exil, entdeckte die Gartenarbeit für sich, er verbrachte auffällig viel Zeit in der Badewanne. Mit der Ehefrau eines Gefährten begann er eine Affäre.
Und er und seine Entourage tranken viel: Die Summen, die sie für Alkohol ausgaben, waren astronomisch. Kein luxuriöses Exil, aber auch kein völlig unkomfortables.
St. Helena lag damals auf dem Seeweg nach Indien. Und der gefallene Kaiser achtete darauf, wichtige Durchreisende zu sich einzuladen, wohl auch um die öffentliche Meinung in Europa zu beeinflussen. «Er stellte sich als Märtyrer dar, seine britischen Bewacher als seine Folterknechte, ja seine Mörder, obwohl sie weder das eine noch das andere waren», erklärt der renommierte Napoleonbiograf Andrew Roberts.
Ohne Exil keine Napoleon-Memoiren
In so manchen Erzählungen wurde später der Gouverneur von St. Helena, Hudson Lowe, zum Bösewicht der Geschichte. Mit einem schikanösen, ja bösartigen Regime habe er Napoleon drangsaliert.
«Es ist aber ein bonapartistischer Mythos, dass Lowe eine düstere, ja bösartige Figur war», sagt Andrew Roberts, «er war einfach nur ein kleingeistiger Mann, der sich einzig als Kerkermeister verstand.»
Wirklich bedeutsam sei, dass Napoleon im Exil seine Memoiren habe diktieren können, so Roberts. «Er konnte damit sein Narrativ, seine Propaganda aufs Papier» bringen, erklärt Roberts.
Napoleon: Retter oder Despot?
In den Memoiren beschrieben: Napoleon, der Retter der Französischen Revolution, der Befreier Europas und ein Mann, der angeblich vorhatte, zum konstitutionellen Monarchen zu werden. Nicht darin enthalten: Das Bild von Napoleon, dem grössenwahnsinnigen Despoten, das seine Gegner von ihm zeichneten.
Die Memoiren seien zwar nicht historisch akkurat, sagt Andrew Roberts, aber die Bücher wurden zu gigantischen Bestsellern. Napoleon polierte damit sein Image auf und war massgeblich beteiligt an der Erschaffung des eigenen Mythos. Und er bewies: Nicht nur die Sieger, auch die Verlierer schreiben die Geschichte.
Selbst nach seinem Tod blieb Napoleon gefürchtet
Weder Roberts noch Michel Dancoisne-Martineau glauben an die Theorie, wonach Napoleon auf St. Helena mit Arsen vergiftet wurde. Ein Magenkrebs habe Napoleon umgebracht. Doch selbst als Leichnam durfte Napoleon sein Exil nicht verlassen: Bis 1840 lag er auf St. Helena begraben. Selbst tot wurde er in Europa noch gefürchtet.