Evgeny Morozovs Augenmerk gilt den politischen und sozialen Auswirkungen von Technologie. In seinem Buch «The Net Delusion: The Dark Side of Internet Freedom» kritisierte der gebürtige Belarusse schon 2011, das Internet bringe nicht automatisch mehr Freiheit und Demokratie mit sich, sondern könne in der Hand von autoritären Staaten auch zum Mittel von Überwachung und Repression werden.
2013 legte er mit «To Save Everything, Click Here: The Folly of Technological Solutionism» nach. Laut Morozov herrscht im Silicon Valley der Glaube, jedes gesellschaftliche Problem lasse sich allein mit technischen Mitteln lösen – Morozov bezeichnet das als «Solutionismus».
Dabei zäumten die Silicon Valley Unternehmen das Pferd vom Schwanz auf: Statt genau zu analysieren, worin ein Problem überhaupt bestehe und wer alles davon betroffen sei, entwickelten sie ihre Lösungen an den eigentlichen Bedürfnissen der Betroffenen vorbei und priesen dann ihre Apps oder Plattformen als Allheilmittel an – wohlwissend, dass es am Ende vor allem sie sind, die davon profitieren, weil sie Daten sammeln können oder mit ihren Diensten sonst viel Geld verdienen.
Metaverse, Krypto und Co.: Leere Versprechen?
Mit seinem neusten Projekt «The Crypto Syllabus» beschäftigt sich Evgeny Morozov nun mit aktuellen Technologien wie der Blockchain und damit verbundenen Projekten wie dem Metaverse, dem Web3 oder den Kryptowährungen.
Sein Projekt sei genau zum richtigen Zeitpunkt gestartet, freut sich der 38-jährige: auf dem Höhepunkt der Krypto-Blase. Er ergänzt nicht ganz unbescheiden: «Ich sehe es auch als meinen Verdienst, dass diese Blase nun viel Luft verloren hat.»
Die Blockchain ist, in aller Kürze, eine Art kollektive Buchhaltung: Statt dass nur eine Stelle, ein Rechner kontrolliert, welche Daten in einem Netzwerk hin und her wandern, tun das alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Netzwerkes gemeinsam – führungslos, transparent und dezentral. So soll die Blockchain dabei helfen, die Macht grosser Plattformen wie Google oder Facebook zu brechen und ein neues Internet entstehen lassen – das sogenannte Web3, dezentral organisiert und von allen gemeinsam verwaltet.
Vor 10 Jahren eine App, heute die Blockchain
Doch für Evgeny Morozov sind diese Versprechen vor allem eines: heisse Luft. Silicon-Valley-Firmen, die viel in Blockchain- und Web3-Projekte investiert hätten, versprächen zwar neue Formen der Zusammenarbeit und Problemlösung – doch es gebe nichts Zwingendes an der Blockchain oder an Web3, glaubt Morozov: «Alles, was sie zu lösen vorgeben, liesse sich auch mit anderen Mitteln lösen.»
Das führt wieder zum «Solutionismus» – dem Glauben, sämtliche Probleme liessen sich durch neue Technologien lösen: Vor 10 Jahren sei das eine App gewesen, heute sei es die Blockchain, meint Morozov.
Freund der Innovation
Im Gegensatz zu anderen Kritikern erkennt Morozov in der Blockchain-Technologie und im Web3 durchaus auch positive Aspekte: So mache es die Technologie den Nutzerinnen und Nutzer zum Beispiel möglich, sich zu dezentralen, führungslosen Organisationen zusammenzuschliessen – zu sogenannten Digitalen Autonomen Organisationen – und sich dort zu vernetzen und gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben.
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Bloss sollte man nicht meinen, dass eine solche Technologie dann die einzig glückseligmachende Lösung für alle Probleme und alle Zeiten sei.