Denise Tonnella leitet seit genau 100 Tagen das Schweizerische Nationalmuseum, zu dem das Landesmuseum in Zürich, das Château de Prangins und das Forum Schweizer Geschichte Schwyz gehören. Was hat die neue Direktorin vor mit der grossen Museumsgruppe?
SRF: Vom Frauenstreik-Shirt bis zur Ritterrüstung: Das Schweizer Nationalmuseum besitzt über 80’000 Objekte. Wie helfen die bei der Vermittlung von neuen Perspektiven auf Schweizer Geschichte und Kultur?
Denise Tonella: Objekte sind so vielfältig wie der Blick, den man auf sie wirft. Sie stehen nicht alleine da, erzählen nicht eine einzige Geschichte. Wir stellen Objekte in einen Kontext und vermitteln Narrative.
Aber die Sammlung ist mir tatsächlich sehr wichtig. Es wäre schön, damit in den nächsten Jahren noch intensiver zu arbeiten.
Schweizer Identitäten, Schweizer Kultur, Schweizer Geschichte sollen vermittelt werden. Das sind grosse Begriffe. Wo wollen Sie das Schwerpunkt setzen?
Mir ist wichtig, dass wir eine Brücke zwischen der Universität und dem breiten Publikum schlagen und neue Perspektiven, neue Erkenntnisse breit vermitteln. Wir haben eine Ausstellung über das Gamen, eine Ausstellung über Anne Frank nächstes Jahr, dann eine über den Wald und die Archäologie.
Unser Ziel ist es, alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen
Es wäre falsch zu sagen: Diese drei Themen sind jetzt wichtig, wir machen nur das. Unser Ziel ist es, alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen. Deshalb müssen wir auch sehr breit planen.
Sie leiten mehrere Häuser, die komplexe Inhalte vermitteln. Wie verstehen sich diese Häuser unter Ihrer Leitung?
Museen sind nicht einfach nur Orte des Ausstellens. Sie sind auch ein Ort des Dialogs und ein Ort, an dem Geschichte, Identität, Kultur verhandelt werden kann.
Das Ziel für mich wäre, dass wir unserem Publikum Werkzeuge in die Hand geben können, damit sie im Spiegel der Geschichte die Gegenwart besser verstehen und besser einordnen können und so auch Orientierung erhalten.
Die Interessen sind breit gestreut. Wie werden Sie allen gerecht?
Wir haben das grosse Glück, mit unseren Museen auch sehr viel Fläche zu haben, um gleichzeitig sehr viele verschiedene Themen anzubieten. Das ist schon mal eine gute Grundlage.
Ein Schwerpunkt, den ich setzen möchte, ist Publikumsforschung.
Wie gehen diese Häuser um mit potentiellen Besucherinnen und Besuchern, die eben nicht kommen, weil die Hürde zu hoch ist?
Die Frage beschäftigt uns tatsächlich auch. Ein Schwerpunkt, den ich setzen möchte in den nächsten Jahren, ist Publikumsforschung. Ich möchte also nicht nur wissen: Wer kommt ins Museum und warum? Sondern auch: Warum kommen die Leute nicht?
Was brauchen die Leute nach der Pandemie? Ist es immer noch das gleiche Publikum wie vorher? Wie bekommen wir die vielen internationalen Touristen zurück? Die machten ein Drittel der Besuchenden im Landesmuseum aus.
Das sind alles wichtige Fragen, die uns beschäftigen werden.
Das Gespräch führte Ellinor Landmann.