Du bist, was du isst. Das gilt heute mehr denn je. Einer, der sich seit Jahren dem Essen widmet, ist der Autor und Journalist Christian Seiler. Eben ist sein neues Buch «Alles Gute – die Welt als Speisekarte» erschienen – eine kulinarische Reise rund um die Welt.
Monika Schärer hat den Wiener zum Frühstück getroffen – und ihm Fragen rund ums Essen aufgetischt.
SRF: Sind Sie Veganer, Vegetarier, Fleischesser oder Flexitarier?
Christian Seiler: Ich würde mich selber als Flexitarier bezeichnen. Ich pflege einen sehr bewussten Umgang mit Fleisch und Gemüse. Ich esse vor allem Dinge, die auch meine Grossmutter als Essen erkannt hätte, und nur Fleisch aus gesicherter Herkunft.
Ich kaufe Fleisch bei Herstellern, die ihre eigenen Tiere halten und schlachten. Billiges Fleisch nehme ich aber definitiv nicht mehr zu mir.
Ist die Esskultur eine Art neue Religion?
Das kann man schon so sagen, weil Nahrungsmittel-Beschränkungen ja auch wesentliche Teile von Religionen sind. Ein wesentlicher Bestandteil des gläubigen Muslim-Seins oder des gläubigen Jüdisch-Seins besteht darin, dass man kein Schweinefleisch ist. Der gläubige Katholik verweigert Fleisch am Freitag und isst stattdessen Fischstäbchen oder ähnliches.
Diese Restriktionen, die aus gesundheitlichen, gesellschaftlichen oder ökologischen Gründen eingegangen werden, deuten darauf hin, dass Menschen sich ein Weltbild zimmern. Die Restriktionen bei den Nahrungsmitteln, die sie zu sich nehmen, sind ein Ausdruck davon.
Hat sich da im Teller sozusagen eine Kampfzone gebildet?
Kampfzone – das finde ich zu drastisch gesagt. Es gibt aber schon immer wieder Diskussionen mit Menschen, die ihren Glauben oder ihre Überzeugung dogmatisch durchziehen. Ich finde es unhaltbar zu sagen, dass eine Lebensweise oder eine Ersatzreligion die einzige richtige ist.
Das gemeinsame Essen ist ein unersetzlicher sozialer Akt.
Der Monotheismus ist, wie der Philosoph Yuval Harari sagt, die Quelle vieler Verwerfungen oder der meisten Verwerfungen auf dieser Welt.
Es wird also ungeniessbar, wenn Veganer gegen Karnivore ins Feld ziehen.
Ja. Positionen, die nicht miteinander vereinbar sind, werden da verhandelt. Die einen wollen die anderen davon überzeugen, dass sie der richtigen Lehre anhängen. Ich finde dogmatische Veganer, aber auch dogmatische Karnivore furchtbar.
Wenn wir bei der Religion bleiben: Was wäre in der Esskultur der Atheist?
Der Atheist ist der, der einfach alles isst. Der Atheist lehnt jede Beschränkung und jede Lehre ab.
Sie haben gerade ein sehr dickes Buch mit Texten und Kolumnen zum Thema Essen veröffentlicht. Sind Sie eine Art Guru für die Esskultur?
Ich bin alles, nur kein Guru. Wenn sie jedoch finden, dass ich einer bin, dann bin ich einer. Mein Buch «Alles Gute» ist ein Ausdruck davon, dass ich eine Lebensweise gefunden habe, die mich interessiert und der ich seit geraumer Zeit nachgehe.
Man muss sich überlegen, welche Nahrungsmittel man aussucht. Man muss sich überlegen, wie man sie zubereitet. Man muss ausprobieren, was gut für einen ist. Man muss das Essen als sozialen Akt verstehen, als Verständigung mit Menschen, mit denen man Tisch und Bett teilt.
Ich finde, dass Familien, die nicht mehr miteinander essen, etwas Wesentliches verloren haben. Das gemeinsame Essen ist ein unersetzlicher sozialer Akt. Mir persönlich ist das ungeheuer wichtig.
Das Gespräch führte Monika Schärer.