Letzten Donnerstag präsentierte die deutsche Nationalmannschaft ihre neuen Trikots für die diesjährige Europameisterschaft. Das Heim-Jersey ist klassisch weiss, das Auswärtstrikot pink-lila. So weit, so unspektakulär. Wären da nicht die Kommentarspalten im Netz und die Kommunikationsabteilung des Deutschen Fussballbunds (DFB).
Der Ton in den sozialen Medien: «Schlimmstes Auswärtstrikot aller Zeiten» oder «Jetzt noch Lippenstift darauf und der Auswärtslook ist perfekt» grölen die einen. «So nice, Alter» und «Auswärtstrikot mega hot!» die andern.
Alles bloss Kalkül?
Und wie das halt so ist in den sozialen Medien: Es wird unsachlich kritisiert, sichtbar polarisiert. Aber Hauptsache viele Kommentare, dachten sich wohl der DFB und Trikot-Hersteller Adidas. Sie waren auf die Kommentarflut offensichtlich vorbereitet. Denn schon am Sonntag konterten sie mit einem Antwortvideo, das für noch mehr Gesprächsstoff sorgen sollte.
Im vorproduzierten Video nehmen sie Kommentare vorweg: «Das ist kein Deutschlandtrikot», um darauf mit einstudierter Schlagfertigkeit reagieren zu können: «Doch, ist es.» Sie adeln ihr pinkes Trikot gleich selbst als modischen Coup: «Das ist kein Fashion-Piece. Das ist ein Fashion-Statement.»
Ausserdem erhoffen sich die Macher einen Tiktok-Trend, den sie gleich selbst vorgeben: Trikot an, Hand auf die Brust, klopfen, Schnitt. Nice try. Aber leider lassen sich die Kids in den sozialen Medien die Trends nicht vorgeben.
Nur ein Trikot, nur eine Farbe – oder?
Das Thema polarisiert auch im täglichen Politbetrieb. Rechte Parteien in Deutschland nehmen das pinke Trikot als Gelegenheit, um von bedrohter Männlichkeit zu schwadronieren. Andere wollen die «kollektive Identität einer ganzen Nation verhandelt» sehen. Puh. Es ist ein Fussballtrikot. Und eine Farbe.
Überhaupt: You’re late to the party, Germany! Schon 1898 spielte Juventus Turin in Pink, bevor sie zu den berühmten weiss-schwarzen Streifen wechselten. Manchester United trägt die Farbe bei Auswärtsspielen, Palermo kickt seit Urzeiten in Pink, Cerezo Osaka aus Japan ebenso. Auch Lionel Messi sieht man seit Mitte Juli pretty in pink bei Inter Miami.
Zurück nach Deutschland. «Zum Glück müssen wir es nur drei Spiele sehen», schreibt jemand auf Instagram. Er weiss wohl nicht, dass es auch ums Geld geht. Der pinke «Barbie»-Buzz soll natürlich die Verkaufszahlen in die Höhe treiben. Die Aufregung um die Farbe war gewollt, geplant und gekonnte Werbung. So wird manch ein Fussball-Fan oder Fashionista das atmungsaktive Polyestershirt im Sommer tragen.
Eine depperte Debatte
Aber mal ehrlich: Was wollen uns all die Kommentare und Artikel sagen, die aus einem lila Liibli ein Riesending machen? Anruf bei einem, der es wissen muss. «Komplett lächerlich», sagt Mämä Sykora, Fussball-Podcaster und Chefredaktor beim Fussballmagazin «Zwölf». «Es ist eine der dümmsten Diskussionen, die es in den letzten Jahren im Fussball gegeben hat. Und da gab es so einige.»