5. Klasse Primarschule Lauerz, Kanton Schwyz. Die Schülerinnen und Schüler gamen. Im Unterricht. Dann erklärt ihnen ihr Lehrer Urs Frischerz, welche Programmier-Codes hinter dem Game stecken. Schliesslich holt sich jedes Kind einen Computer. Sie sollen einen Käfer so programmieren, dass er nicht vom Weg abkommt.
Neuer Schulstoff
Programmieren ist Stoff im neuen Fach «Medien und Informatik». Im Kanton Schwyz wurde es im Rahmen des Lehrplans 21 schon letztes Jahr eingeführt. In vielen anderen Deutschschweizer Kantonen wird es jetzt erstmals unterrichtet.
In den meisten Kantonen gibt es ab der 5. Klasse eine Lektion pro Woche. Zum Stoff gehören auch klassische Medienthemen, etwa, dass die Schüler ihr Medien-Nutzungsverhalten reflektieren oder lernen, wie man sich im Internet verlässliche Infos beschafft.
«Wir rennen offene Türen ein», sagt Lehrer Urs Frischherz. In der Lebenswelt der Kinder sei der Computer die normalste Sache der Welt. «Da müssen die Schulen dabei sein.»
Herausforderung Informatik
Trotzdem war es harzig, das neue Fach definitiv im Lehrplan 21 zu verankern. Und auch der Transfer in den Schulalltag ist jetzt alles andere als einfach. Längst noch nicht alle Schulen sind technisch so gut ausgestattet wie die Primarschule in Lauerz.
Die zweite grosse Frage ist: Wer soll das neue Fach kompetent unterrichten? Und wie? Denn damit die Kinder lernen und verstehen, müssen zunächst die Lehrpersonen im Thema sattelfest sein. Und das ist insbesondere in der Informatik eine Herausforderung.
Neuland für viele
Deswegen werden derzeit in der ganzen Deutschschweiz Primarlehrpersonen weitergebildet. Für viele ist Informatik Neuland. «Die kommen mit ganz schrägen Vorstellungen zu uns in die Weiterbildung», sagt Beat Döbeli, Professor für Informatik- und Mediendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Schwyz.
«Sie haben das Gefühl, Informatik ist Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationssoftware. Sie sind dann sehr erstaunt, dass sie bei uns Programmieren lernen.»
Fehlende Ressourcen
Gemeinsam mit Urs Frischherz bringt Döbeli Primarlehrpersonen die Basics in Informatik bei und wie sie diese an ihre Schülerinnen und Schüler vermitteln. Im Kanton Schwyz sind für die Lehrpersonen 5 Tage Informatik und 3 Tage Medien Pflicht.
In anderen Kantonen ist die Weiterbildungszeit noch sehr viel knapper bemessen. «Das ist im Moment auf verschiedenen Ebenen eine grosse Herausforderung», sagt Döbeli. «Es fehlt überall an Ressourcen, sei das Zeit, Geld oder Dozierende an Pädagogischen Hochschulen.»
Lebensnah soll es sein
Noch dazu wird den Schweizer Lehrpersonen – und damit künftig auch den Schülern – die Informatik auf zwei unterschiedlichen Wegen beigebracht. Beat Döbeli vertritt den Weg der Themen-Kombi «Medien und Informatik».
Die Informatik müsse man sich über die Lebenswelt der Schüler erschliessen. Und das gehe bestens über die Medien-Welt. Sprich, über Games ins Programmieren einsteigen. Oder über die überfüllten Smartphones der Kinder in die Technik der Datenspeicherung.
«Die Schülerinnen und Schüler haben keine Vorstellung, was Datengrössen sind, Megabyte, Gigabyte», sagt Döbeli. Davon ausgehend könne man erarbeiten, wie viel Speicherplatz bestimmte Apps brauchen oder wie ein Computer Bilder speichert.
Gegen den Themenmix
Juraj Hromkovic hingegen hält von der Themen-Kombi «Medien und Informatik» gar nichts. «Das ist eine Zwangsehe», sagt er. Der Professor für Informationstechnologie und Ausbildung an der ETH Zürich plädiert dafür, die beiden Themen isoliert voneinander zu unterrichten.
Auch er bildet Primarlehrpersonen in Informatik weiter. In seinen Kursen vermittelt er die Informatik aber von der Pike auf. Und zwar indem er tief in die Vergangenheit eintaucht.
Beispiel Datensicherheit. Der Ursprung liegt mehrere tausend Jahre zurück. Mit der Erfindung der Schrift konnten Daten nämlich erstmals fixiert und mit den ersten Geheimschriften erstmals verschlüsselt werden.
Im Unterricht können Primarschüler alte Geheimschriften knacken. Und eigene entwickeln. Je älter die Kinder werden, desto komplexer werden die Verschlüsselungsstrategien.
Verstehen, nicht nur anwenden
«Die Schüler können so informatische Konzepte wirklich verstehen», sagt Hromkovic. Wer hingegen via Handys, Games & Co. in die Informatik einsteige, laufe Gefahr, sie nur oberflächlich zu behandeln und bei Anwenderthemen hängen zu bleiben.
Beat Döbeli befürchtet hingegen, dass auf Hromkovics Weg viele Schüler wie Lehrpersonen verloren gehen. Döbeli: «Diejenigen, die sich nicht für Mathematik und Geometrie interessieren, werden das wahrscheinlich schnell langweilig finden.»
Was letztendlich der bessere Weg ist, wird die Zukunft zeigen. Im Klassenzimmer in Lauerz finden Schüler wie Schülerinnen die Programmierübungen zumindest schon mal «richtig cool».