Die Geschäftsstelle der «HAZ – Queer Zürich» steckt mitten im Umzug. HAZ, das sind die «Homosexuellen Arbeitsgruppen Zürich». Sie sind eine der grössten LGBTIQ+-Organisationen der Schweiz. Gegründet 1972, werden sie nächstes Jahr 50. Auch sie ziehen ins Regenbogenhaus.
Augenblicklich seien sie noch «gut versteckt im dritten Stock am Sihlquai», sagt Hannes Rudolph, Leiter der Geschäftsstelle und Berater für trans Personen. Als die Geschäftsstelle 1983 angemietet wurde, sei Diskretion ein Thema gewesen.
«Nun geht es ums pure Gegenteil, um Sichtbarkeit», sagt Rudolph. Das Regenbogenhaus ist ebenerdig mit einer Glasfront, unweit des Zürcher Hauptbahnhofs.
Queere Menschen sollen sichtbarer sein
Sichtbarkeit sei aber keine rein optische Frage. Es gehe darum, queeren Menschen eine gesellschaftliche Repräsentanz zu geben. Insofern sei das Regenbogenhaus auch ein Statement der Stadt Zürich.
Die Beratung war von Beginn an, damals als anonymes Telefon, ein wichtiger Teil der HAZ. Neben Hannes Rudolph ist Constance Hoppmann in der Lesbenberatung tätig, Raffael Berchtold in der Schwulenberatung.
«Mit dem Regenbogenhaus wurde ein zentraler niederschwelliger Platz geschaffen, wo viele Organisationen ihre Mitgliederversammlungen und andere Events machen – ein place to be, wohin man Leute einlädt und sagt: ‹Das sind wir›», sagt Rudolph.
Eine grosse Bibliothek wird Lesestoff zu schwulen, lesbischen, bi- und trans Themen führen. «Schwule Chöre werden Versammlungen abhalten, es wird ein Yoga-Angebot und Workshops geben sowie Gesprächsgruppen zu Themen wie Polyamorie oder Trans. Die meisten Angebote richten sich an alle.»
Beratung von trans Personen
Trans Themen hätten aktuell grössere Aufmerksamkeit als früher, sagt Rudolph: «Zwei Fragestellungen machen die Hälfte aller Anfragen aus. Das ist zum einen die Situation: ‹Ich habe rausgefunden, dass ich trans bin. Wie bekomme ich Zugang zu medizinischer Versorgung, zu einer Hormontherapie oder Operationen?› Die zweite Frage ist: ‹Ich beschäftige mich in letzter Zeit mit meiner Geschlechtsidentität. Wer bin ich und wie kann ich das rausfinden?›».
Trans-sein bringe viele praktische Fragen mit sich, etwa: «Ich bin in der Matur-Stufe. Wir machen eine Klassenreise. Darf ich als trans Mann ins Zimmer der Jungs? Oder wie löse ich die Umkleidesituation im Hallenbad?».
Es gebe auch Anfragen von Fachpersonen: «Wie kann ich ein trans Kind beim Coming-out in der Schule begleiten oder einen trans Mitarbeitenden in der Firma?», erklärt Rudolph. Das hat sich in den letzten zehn Jahren verändert. «Wir merken das am Coming-out von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern neuerdings schon damit gerechnet haben.»
Gläubig und schwul?
Bei den meisten Anfragen, die Raffael Berchtold erreichen, geht es um das Thema Coming-out. Ausserdem: «Vermehrt kommen Anfragen von jungen Menschen, die in Freikirchen gross geworden sind.»
Sie stossen bei ihren Eltern auf viel Widerstand, sodass den Betroffenen schon Therapien angeboten oder bei ihnen durchgeführt wurden, etwa die Konversionstherapie. Diese Therapien wurden als sehr belastend erlebt.
«2016/17 hatten wir sehr viele Fragen von Asylsuchenden aus Ländern, in denen Homosexualität verboten ist. Dies hat aber wieder abgenommen.» Beziehungsprobleme seien ein Thema «und in Zeiten von Corona, ist es Einsamkeit». Komplexe rechtliche Anfragen verweist er weiter an die Rechtsberatung des Pink Cross.
Coming-out in jedem Lebensabschnitt
Bei Constance Hoppmann von der Lesbenberatung treffen nach wie vor viele Anfragen zum Coming-out ein. Geändert habe sich jedoch, dass ein grosser Teil der Frauen zwischen 25 und 40 seien, die gerade eine Trennung vom Partner erlebt und plötzlich Raum für Identitätsentwicklung haben und bemerken, dass sie sich zu Frauen hingezogen fühlen. «Das kann auch noch passieren, wenn die Kinder schon aus dem Haus sind.»
Auch Hoppmann verweist rechtliche Anfragen an Pink Cross, «wenn es etwa um eingetragene Partnerschaften oder Adoption geht: Wir sind keine juristische Fachberatung, sondern Peer-Beratung.» Das heisst: Menschen, die sich in gleichen Lebenssituationen befinden, helfen einander.
«Ein Ort, wo man sich selbst sein kann»
Das Regenbogenhaus sei für queere Personen wichtig, um gerade jungen Menschen die Gewissheit zu geben, dass sie nicht allein sind, und dass sie nicht umerzogen werden müssen. Das Regenbogenhaus solle ein Ort sein, «wo man sich selbst sein kann», sagt Berchtold.
Queere Menschen seien zwar viele, aber doch die Minderheit. Queere Themen bräuchten den Einsatz aller, sagt Constance Hoppmann. Im Regenbogenhaus sind deshalb alle willkommen, die sich für queere Themen interessieren oder engagieren.