Wenn das kein kometenhafter Aufstieg ist: Einst galt Beige als Rentner-Farbe schlechthin, jetzt erobert sie die Schaufenster von Modeketten, Kataloge von Einrichtungshäusern und allen voran die Feeds von TikTok, Instagram und Co.
Das Vermarktungspotenzial eines «Beige Girl»-Hashtags scheint gering, weswegen vermutlich die luxuriösere Variante des Naturtons – Vanille – herhalten muss. Mit Erfolg: In den sozialen Medien geht der Hashtag #vanillagirl aktuell mit über 700 Millionen Aufrufen viral.
Beige Influencer
Beim Look des «Vanilla Girls» geht es darum, Kleidung und Accessoires in einer Farbpalette zu tragen, die nicht weit von Vanille abweicht. Man denke an Schlagrahm, Meringue, Baileys – süss eben.
Um dazuzugehören, trägt man also einen beigen Strickpullover, weisse Sneakers, flauschige Woll-Ohrenwärmer und UGG-Stiefel. Ergänzt wird das ganze durch den «No-Make-Up Look» mit wenig Rouge, nude Lipgloss und ein bisschen Mascara.
Für diese Influencerinnen-Ästhetik gibt es zig Anleitungen in den sozialen Medien, sodass wir alle in den cremefarbenen Olymp aufsteigen und zu «Vanilla Girls» werden können. Die passenden Produkte können mit einem Klick auch gleich bei Amazon und Co. gekauft werden.
Monotonie in Creme
Doch beim Make-up, den Strickpullis und den Ohrenwärmern hört es nicht auf. Ein Vorzeige-«Vanilla Girl» weilt in einem wohligen, cremefarbenen Zuhause – ein Nest der pastelligen Gemütlichkeit. Dazu gehören plüschige Möbel in Naturtönen, sandfarbene Satin-Bettwäsche, Duftkerzen und Pampasgras.
Die Beschreibung zeigt, dass die «Vanilla Girl»-Ästhetik nicht nur ein Kleidungsstil ist, sondern Ausdruck einer eigenen Mentalität. Ein vermeintlich bewusster Lifestyle des Minimalismus und der Reinheit.
Die grenzenlose Begeisterung für Beige macht nicht einmal vor dem Kinderzimmer halt, wie «die Zeit» attestiert. Auch dort dominieren Strampler, Schnuller und in Holzspielzeug in Beige. Die Autorin Hayley DeRoche witzelt auf TikTok über diese «sad beige»-Kinder.
Weiss und wohlhabend
Beim Scrollen wird man das Gefühl nicht los, dass die «Vanilla Girls» ihr blendend beiges Leben mühelos meistern und ein reichlich privilegiertes Dasein führen. Das ruft Gegnerinnen auf den Plan.
Nebst dem Vorwurf, dass der Trend den patriarchalen Traum erfülle, indem die Frau sich schön mache und das Haus hüte, wird kritisiert, dass beinahe alle Frauen, die viral gehen, dünn, blond, wohlhabend und weiss seien.
Doch es wäre kein TikTok-Phänomen, würden sich auf diese Kritik nicht nach kürzester Zeit andere kritische Stimmen zu Wort melden. Beige Pullover, natürliches Make-up und Plüschmöbel seien an und für sich nicht exklusiv. Das Problem sei der Algorithmus, der weisse Frauen bevorzuge, argumentieren die Gegenstimmen.
Fuchsia und Zitronengelb: das neue Beige?
Während sich TikTok-User noch über die Exklusivität der «Vanilla Girl»-Ästhetik streiten, steht ein anderer Trend bereits in den Startlöchern: «Dopamine Dressing». Je bunter und extravaganter, desto besser.
Benannt nach dem Glückshormon Dopamin soll dieser Style die Stimmung heben, wenn man in den Spiegel schaut. Schlicht und einfach: der Albtraum jedes «Vanilla Girls».