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Widerstand durch Nichtstun
Aus Kontext vom 08.03.2021. Bild: Ryan Meyer
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«Nichts tun» von Jenny Odell Nichts tun ist ganz schön schwierig

Vögel beobachten statt am Handy hängen: Ein neues Buch erklärt, wie die Befreiung von digitalen Zwängen gelingt.

Die Manager der Tech-Firmen im Silicon Valley verordnen ihren Kindern eine Computer-Diät, während sie die Menschheit mit ihren Apps süchtig machen. Diese Legende des Digitalzeitalters wird in Elterndiskussionen gerne kolportiert.

Auf diese scheinheilige Diskussionen lässt sich Jenny Odell in ihrem kulturkritisch-philosophischen Essay «Nichts tun» nicht ein. Stattdessen sucht die Künstlerin und Schriftstellerin, deren Eltern bei einer der grossen Tech-Firmen arbeiteten, nach sozialem Fortschritt. Und sie fragt, was es uns im Digitalzeitalter erschwert, solchen Fortschritt hervorzubringen.

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Die Handys und die Vorbildfunktion der Eltern
aus Echo der Zeit vom 01.03.2018. Bild: Keystone
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Leben in der Online-Welt

Das Problem mit digitalen Medien sieht Odell darin, dass soziale Medien viel zu stark unsere Aufmerksamkeit kapern, dass sie Raum und Zeit aufheben, den Kontext und die Zusammenhänge vernebeln.

Odell sieht in der Digitalisierung eine Kolonisierung, mit der die Tech-Konzerne jeden Tag Milliarden verdienen und der wir uns letztlich selbst unterwerfen: Wir lassen uns zu isolierten Individuen machen, die keine Ambitionen für gesellschaftliches Wohlergehen haben.

Von Hannah Arendt bis zur Digitalisierung

Dabei knüpft die Autorin an die Philosophin und Publizistin Hannah Arendt an, die bereits in den 1970er-Jahren von der «Weltlosigkeit» in der modernen Gesellschaft sprach – eine Weltlosigkeit, die dazu führt, dass gemeinsames Handeln und damit Politik verunmöglicht wird.

Ganz nebenbei entsorgt Odell damit auch die Vorstellung einer «digitalen Demokratie», die etwa ohne direkte Begegnung und Nutzung des öffentlichen Raums auskommt.

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Gepostet, geliked, geschieden: Beziehungskiller Smartphone
Aus Einstein vom 10.12.2015.
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Sich der digitalen Kolonisierung entziehen

Sich als Individuum der digitalen Kolonisierung zu entziehen und damit wieder ein gesellschaftliches Wesen zu werden – das ist für Jenny Odell eine Kunst.

Buchhinweis:

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Jenny Odell: «Nichts tun. Die Kunst, sich der Aufmerksamkeitsökonomie zu entziehen». C.H. Beck, 2021.

Nicht, dass es keine Vorbilder geben würde. Odell geht zurück bis in die Antike, zu den Lehren von Epikur und Diogenes. Die Autorin schürft aber auch in der amerikanischen Aussteigertradition von Thoreau bis zu den Hippies.

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Henry D. Thoreau: ein grosser Literat, ein Rebell und Naturfreund
aus BuchZeichen vom 16.07.2017. Bild: Benjamin D. Maxham / National Portrait Gallery, Washington
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Vögel, Stille und das «richtige Leben»

Das Buch verkommt dabei keineswegs zu einem verkopften Philosophie-Traktat. Odell nimmt uns mit auf lange Spaziergänge durch die Bay Area rund um San Francisco. Wir lernen jahrhundertealte Bäume und neuste soziale Projekte kennen.

Und wir begleiten Sie immer wieder auf Vogelbeobachtungstouren – ihre Art, die Aufmerksamkeit «auf Ort und Stelle umzulenken». Odell geht es nicht darum, die Welt der sozialen Medien zu verteufeln. Vielmehr ist sie auf der Suche nach dem «richtigen Leben».

Kleine Fluchten aus dem Alltag

Als Intellektuelle ermutigt sie uns zu kleinen Fluchten. So, wie wenn sie sich aus einer Konferenz davonschleicht: «Aus dem Blickwinkel der vorwärtsdrängenden, produktiven Zeit erschiene dieses Verhalten wie ein Verbrechen. Aber aus dem Blickwinkel des Ortes wäre ich jemand, der ihm endlich einmal Aufmerksamkeit gewidmet hat», schreibt Odell.

«Nichts tun» bedeutet also nicht, sich einfach aus-, sondern sich in die Realität einzuloggen. Gibt es dafür einen besseren Moment als in Zeiten von Pandemie und Lockdown?.

Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 9.3.2021, 9:03 Uhr.

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