Die Notunterkunft ist in einer ehemaligen Bürstenfabrik am Stadtrand von Paris untergebracht. Thelma Chikwanha ist dort im Dezember 2017 eingezogen. Die Journalistin aus Simbabwe hat in ihrer Heimat über die Proteste gegen den damaligen Diktator Robert Mugabe berichtet.
«Damit macht man sich in Simbabwe strafbar», sagt die 40-Jährige auf Englisch. «Wer zudem wie ich für westliche Medien arbeitet, gilt als Landesverräter. Darauf steht die Todesstrafe.»
Frankreich hat Thelma Chikwanha kürzlich den Flüchtlingsstatus verliehen. Das bedeutet aber auch, dass sie das «Haus der Journalisten» verlassen, einem anderen Exil-Journalisten Platz machen muss.
Der Trägerverein hilft ihr nun, eine eigene Wohnung und Arbeit zu finden. Um sich schnell zu integrieren, lernt die Simbabwerin intensiv Französisch. «Ich will hier schon bald Interviews führen können.»
Zehn Monate Gefängnis in Syrien
Neben Thelma wohnt Rowaida Kanaan aus Syrien. Die 40-Jährige hat für einen Radiosender in Damaskus aus den Konfliktzonen berichtet, unter einem Decknamen.
Das Regime hat sie trotzdem identifiziert und zehn Monate lang ins Gefängnis gesperrt. Anschliessend floh sie in die Türkei. Aber auch dort wurden syrische Journalisten ermordet. Deshalb hat Rowaida Asyl in Frankreich beantragt.
Barometer für Pressefreiheit
Das «Maison des Journalistes» hat seit seiner Gründung vor 16 Jahren fast 400 Verfolgte aufgenommen. Derzeit beherbergt es vor allem Frauen und Männer aus Syrien, Afghanistan, Irak, Jemen, Marokko, Mauretanien, Kasachstan, Pakistan und der Türkei.
«Das Haus ist eine Art Barometer für die Pressefreiheit und Konflikte in der Welt», sagt die Leiterin, Darline Cothière. Die meisten Bewohner erhalten innerhalb von sechs bis acht Monaten den Flüchtlingsstatus und können dann ein neues Leben beginnen.
Aber kaum einem gelingt es, in Frankreich journalistische Aufträge zu erhalten. Französische und europäische Medien sind an den Kompetenzen und Erfahrungen der Exil-Journalisten wenig interessiert.
Sprachrohr für verfolgte Journalisten
Um ihnen trotzdem ein Sprachrohr zu verschaffen, hat das «Maison des Journalistes» die Internet-Zeitung «L'œil de l'exilé» (auf Deutsch: «Das Auge des Exilanten») gegründet: «Wir verteidigen hier die Presse- und Meinungsfreiheit», sagt Darline Cothière.
In der Bibliothek des Hauses arbeitet Elyse Ngabire am Computer. Die Journalistin aus dem ostafrikanischen Burundi schreibt einen Artikel über einen ehemaligen Kollegen, der entführt wurde und seither spurlos verschwunden ist. «Wäre ich in Burundi geblieben, hätte mir ein ähnliches Schicksal gedroht», sagt sie.
Drei Mordanschlägen entkommen
Elyse Ngabire war Chefredakteurin für Politik bei der Pressegruppe Iwacu, einer der letzten unabhängigen Informationsquellen des Landes.
2010 musste sie wegen eines Interviews ins Gefängnis. 2015 brachte sie ein regierungskritischer Kommentar in Lebensgefahr. «In den Tagen danach bin ich drei Mordanschlägen entkommen.»
Elyse flüchtete nach Frankreich, wo sie im «Maison des Journalistes» Aufnahme fand. Inzwischen wohnt die 42-Jährige mit ihren drei Kindern in einer Übergangsstruktur für anerkannte Flüchtlinge. Ihren Unterhalt verdient sie als Aushilfskraft in einem Vorortbahnhof.
Ein Zuhause im Exil
«Das ‹Haus der Journalisten› hat es mir ermöglicht, mein Exil positiv zu leben», sagt sie. «Ausserdem sorgt es dafür, dass ich meine Artikel veröffentlichen kann. Meine Stimme verstummt nicht, wie es die Machthaber in Burundi gewollt haben.»
Für sie und viele Kollegen ist und bleibt das «Maison des Journalistes» ihr Zuhause im Exil.