SRF: Roger Liggenstorfer, wie wurden Sie zum Verleger mit Spezialgebiet Rausch?
Roger Liggenstorfer: In den 1980er-Jahren entschied ich mich nach einer Banklehre für mehr Freiheit und war als Marktfahrer unterwegs. Unter anderem verkaufte ich Bücher über Anbau von Hanf und Kochrezepte mit Hanf. Das trug mir eine Verurteilung wegen so genannter öffentlicher Aufforderung zum Drogenkonsum ein.
Jeder soll selbst entscheiden, ist das gut für mich oder nicht
Wie hoch fiel das Urteil aus?
Drei Wochen, aber auf Bewährung, ich musste die Strafe also nicht absitzen. Aber dieses Urteil hat mich noch mehr motiviert. Im Nachhinein kann ich sagen, der damalige Staatsanwalt ist mitunter ein Pate des Nachtschattenverlags.
Warum liegt Ihnen viel daran, Menschen, die sich berauschen wollen, mit Informationen zu versorgen?
Wir haben nie die Absicht jemanden zum Drogenkonsum aufzufordern. Unsere Intention ist Aufklärung, Schadensminderung, Prävention. Das Fördern einer Drogen-Kompetenz. Dass jeder selbst entscheiden kann, ist das gut für mich oder nicht.
In den 90er-Jahren gingen Sie an Technopartys, um Pillen auf ihre Qualität zu testen. Was stand hinter «Eve & Rave»?
Auch da ging es letztlich um Schadensminderung. Weil man ja nicht Leute davon abbringen kann, Drogen zu konsumieren. Man kann sie höchstens dazu bringen, diese sinnvoller, weniger schädlich zu konsumieren.
Bei Kokain gibt es wenig verurteilende Meinungen, weil der Konsum bis in die Teppichetagen geht.
Wie geht unsere Gesellschaft mit den jeweils angesagten Drogen um? Von den psychoaktiven Pilzen bis zum Stressdämpfer Kokain.
Mit den Pilzen gab es mal einen Hype. Statt dort klare Rahmenbedingungen zu setzen, überliess man alles dem freien Markt. Genauso mit den Hanfläden vor 15 Jahren. Hätte man da klare Rahmenbedingungen gesetzt, hätte es diesen Wildwuchs nicht gegeben. Kann man etwas verkaufen, ohne eine Steuer darauf zu zahlen, ohne Regulierung, dann zieht das hauptsächlich geschäftstüchtige Leute an.
Wie sieht es beim Kokain aus?
Bei Kokain und anderen leistungssteigernden Substanzen ist interessant, dass es wenig verurteilende Meinungen gibt, weil der Konsum bis in die Teppichetagen geht. Dabei wäre eine ehrlichere Drogenpolitik förderlicher.
Wie müsste diese konkret aussehen?
Besteuern, Rahmenbedingungen schaffen, den Jugendschutz fördern, aufhören mit der Unterstützung des Schwarzmarkts. Die Prohibition fördert in erster Linie die kriminellen Energien, bis hin zum Terrorismus – sie ist kontraproduktiv. Eine Entkriminalisierung brächte auf allen Ebenen Nutzen: Statt hohe unnötige Kosten generiert sie Steuern und Arbeitsplätze.
Es wird mehr darauf geachtet, wie die Droge wirkt.
Nach 33 Jahren Nachtschatten-Verlag: Haben wir heute die besseren Drogenkonsumenten?
Das ist schwer zu sagen. Es wird immer Drogenkonsumenten geben, die sich nicht informieren wollen, ein suchtmässiges Verhalten zeigen – mit illegalen oder legalen Drogen. Aber ich denke schon, dass das Bewusstsein bei den Leuten gestiegen ist. Dass mehr darauf geachtet wird, was wie wirkt. Mit einem Bewusstsein dem Rausch gegenüber und einer Drogenmündigkeit.
Das Gespräch führte Richard Herold
Sendung: SRF1, Kulturplatz, 01.02.2017, 22:25 Uhr