Die parlamentarische Oberaufsicht über die geheimen Aktivitäten des Bundes nimmt die Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte (GPDel) wahr. Ihr Präsident ist der Claude Janiak (SP). Der Baselbieter Ständerat Gespräch über Kontrolle und den Kampf um Rechte.
SRF: 1990 stellte sich im Zug einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) heraus, dass die Schweiz zur Landesverteidigung die geheime Organisation «P-26» unterhielt. Was wusste das Parlament?
Claude Janiak: Ich denke, dass weder das Parlament noch der Gesamtbundesrat damals wirklich informiert waren. Das ist ja das Problem mit dieser Geschichte.
Wir sind als GPDel heute nicht dazu da, das historisch aufzuarbeiten, sondern wir wollen sicherstellen, dass die damaligen Akten der Nachwelt erhalten bleiben. Fakt ist: Das Parlament wusste damals nichts – ausser die Parlamentsmitglieder, die in diese P-26 involviert waren.
Wie stand es bis 1991 um die parlamentarische Kontrolle solcher geheimen Aktivitäten?
Die Finanzdelegation wurde 90 Jahre vor der GPDel geschaffen, und sie hatte auch die Oberaufsicht über die P-26. Im Bericht der PUK EMD wurde 1990 ausgeführt, dass sich die Aufsicht auf die punktuelle Information der jeweiligen Präsidenten der Finanzdelegation durch die Vorsteher der Departemente beschränkte, also auf sehr wenige Personen.
Gibt es heute in der Schweiz eine ähnliche Geheimorganisation zur Landesverteidigung?
Ich gehe davon aus, dass es das nicht gibt. Die Gesetzgebung und die Sensibilitäten haben sich seither grundlegend geändert. Der Kalte Krieg ist seit 1989 Geschichte. Wir leben jetzt allerdings wieder in Zeiten, in denen man nicht weiss, wie es weitergehen wird. Die geopolitische Unsicherheit nimmt zu. Doch im Moment haben wir keinen Anlass zu glauben, dass so etwas existiert.
Wir haben ein umfassendes Einsichtsrecht.
Wäre es heute legal, wenn der Bund eine solche geheime Struktur unterhalten würde?
Nein. Weil heute Instrumente bestehen, um eine Kontrolle über sämtliche Departemente sicherzustellen. Auch wir als GPDel haben unsere Rolle im Lauf der Jahre verstärkt. Seit 2011 verfügen wir über umfassende Informationsrechte, und wir nehmen diese auch wahr.
Was hat sich genau verändert?
Als Folge der damaligen Ereignisse wurden wir Anfang der 90er-Jahre als Oberaufsicht über die damals zwei Nachrichtendienste (Inland- und Ausland-Nachrichtendienst, Anm. d. Red.) eingesetzt.
Bei unseren Untersuchungen sind wir später immer wieder auf Widerstand der Regierung gestossen, wenn wir vollumfassend informiert werden wollten. Nach der Libyen-Affäre (Festnahme des Gaddafi-Sohns Hannibal in Genf wegen angeblicher Misshandlung von Hausangestellten im Jahr 2008, Anm. d. Red.) hat eine parlamentarische Initiative die Informationsrechte des Parlaments klargestellt.
Seither werden wir über sämtliche geheimen Bundesratsbeschlüsse informiert, auch über nachrichtendienstliche Themen hinaus. Wir nehmen fürs Parlament eine grosse Verantwortung wahr. Soweit ich das beurteilen kann, klappt das. Aber es war ein Kampf, bis wir diese Rechte erreicht haben.
Wie tief kann die GPDel in die Akten Einsicht nehmen?
Wir sehen alle Akten, die wir sehen wollen. Als letztes haben wir sämtliche Akten über den Fall Daniel Moser gesehen, den Spion, der in Deutschland tätig war. Wir sehen sämtliche Operationen, die wir sehen wollen.
Wir haben ein umfassendes Einsichtsrecht. Inzwischen teilen auch die Dienste die Ansicht, dass diese Oberaufsicht auch in ihrem Interesse ist. Das war ein langjähriger Prozess.
Im Moment bin ich davon überzeugt, dass die Kontrolle funktioniert.
Ich muss dem vergangenen Chef des Nachrichtendiensts, Markus Seiler, ein Kränzchen winden. Er hat bei dieser Transformation sehr aktiv mitgewirkt und dazu beigetragen, dass dieses Verständnis zugenommen hat.
Angenommen, heute würde eine ähnliche Organisation wie P-26 existieren. Wie könnte die GPDel dahinterkommen?
Nun gut, man kann nicht ausschliessen, dass man hintergangen wird. Aber ich denke, dass das Bewusstsein innerhalb des Bundesrats beispielsweise, aber auch im Parlament, so gross und so stark ist, dass etwa ein Verteidigungsminister nicht einfach hinter dem Rücken seiner Kollegen von etwas weiss und es nicht weitergäbe.
Im Moment bin ich davon überzeugt, dass die Kontrolle funktioniert. Aber selbstverständlich weiss ich nicht, wie sich die weltpolitische Lage verändern wird. Zumindest vom Gesetz her – und das ist der grosse Unterschied zu damals – ist die Ausgangslage heute grundlegend eine andere.
Das Gespräch führte Raphael Zehnder.