- Vor zwei Jahren marschierte der IS zum ersten Mal in Palmyra ein. Jetzt hat die syrische Armee wieder die Kontrolle über die antike Ruinenstätte.
- Der Archäologe Mohamad Fakhro glaubt, dass die Zerstörung durch den IS verheerender ist als in Berichten dargestellt.
- Für den Wiederaufbau muss jetzt Personal ausgebildet werden, meint Fakhro – auch in der Schweiz.
Mohamad Fakhro wartet. Seit zwei Monaten seien kaum Neuigkeiten aus der Stadt Palmyra zu hören, sagt der Archäologe: «Diese Ruhe ist das beste, was Palmyra hat passieren können.» Denn sie bedeute, dass die syrische Armee das Gebiet gesperrt habe.
Der Archäologe kann nichts tun
«Man muss Palmyra jetzt in Frieden lassen. Bis im ganzen Land Frieden herrscht und Projekte zum Wiederaufbau gestartet werden könnten», sagt Mohamad Fakhro, 39-jährig, kariertes Hemd, dunkles Kurzhaar.
Er sitzt an einem Tisch im Institut für Archäologische Wissenschaften der Universität Bern, Abteilung Vorderasiatische Archäologie. Seit drei Jahren arbeitet er hier an seiner Dissertation: «Strategien zur Wiedererschliessung von Museen und archäologische Stätten in Nachkriegszeiten».
Palmyra und das Schicksal der syrischen Kulturstätten beschäftigen ihn. Eben ist er zurückgekommen von einer Konferenz in Berlin. Tun vor Ort, in seiner Heimat, kann er nichts. Er muss warten.
Bauten der Römer zerstört
An vielen Orten in Syrien seien Kulturobjekte beschädigt oder zerstört. Doch nirgends sei die Situation derart gravierend wie in Palmyra und in der Altstadt von Aleppo, sagt er: «Die wichtigsten Ruinen von Palmyra wurden durch den IS zerstört.»
Noch im Dezember letzten Jahres habe der IS gewütet – gegen die römische Architektur: Die Bühne des Amphiteaters und das Tetrapylon, das bedeutende Monument, wurden zerstört. Jeder Schritt ein kalkulierter Propagandaakt des IS.
Bilder widersprechen Berichten
Mohamad Fakhro sieht sich mit widersprüchlichen Informationen konfrontiert, zum Beispiel zum Museum von Palmyra. In Berichten habe es geheissen, alle Objekte seien in Sicherheit gebracht worden.
Das stimme nicht. Er habe Bilder von zerstörten Skulpturen und Statuen im Museum gesehen. Und viele Objekte seien geplündert worden.
Den Wiederaufbau vorbereiten
Doch viele der zerstörten Stätten liessen sich wieder aufbauen, rekonstruieren, sagt Mohamad Fakhro. Was also ist aktuell zu tun? «Warten», sagt Mohamad Fakhro.
Erst gehe es darum, die Schäden genau zu prüfen. Dann müsse ein Projekt zum Wiederaufbau entwickelt werden. Das Personal dafür müsse jetzt ausgebildet werden, sagt Mohamad Fakhro, im Westen, auch in der Schweiz. Und die internationale Zusammenarbeit müsse verstärkt werden.
Palmyra ist heute eine Geisterstadt. Rund 50'000 Menschen lebten dort vor dem Krieg. Jetzt sind sie verschwunden, geflüchtet. Ob sie je zurückkehren können? Niemand weiss es. Es sei sogar denkbar, dass der IS die Stadt ein drittes Mal erobere, befürchtet Mohamad Fakhro. Als erneuten Propagandacoup.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 18.5.17, 8:20 Uhr