Corona macht allen zu schaffen. Besonders schwierig ist die Situation für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Deshalb hat die Stiftung Pro Mente Sana zusammen mit der Berner Fachhochschule das Internet-Portal inCLOUsiv lanciert. Es sei Zeit, an die Bedürfnisse psychisch Kranker zu denken, sagt Pro Mente Sana-Geschäftsführer Roger Staub.
SRF: Wie wirkt sich die Coronakrise auf Menschen aus, die eine psychische Beeinträchtigung haben?
Roger Staub: Wir sehen vor allem Menschen, die schon an Angststörungen leiden. Man schätzt, dass jeder siebte erwachsene Mensch in der Schweiz von Angststörungen betroffen ist. Bei diesen Menschen verstärkt die Coronakrise diese Ängste teils massiv.
Die Folge ist, dass Menschen, die sonst mit ihrer Beeinträchtigung eigentlich umgehen können, plötzlich Schwierigkeiten haben, ihr Leben fortzusetzen.
Corona verschärfe die Symptome zum Teil massiv, sagten Sie. Was bedeutet das?
Dass die Leute mit ihrem Leben nicht mehr klarkommen. Wir hören am Telefon Geschichten von Leuten, die sagen: Ich kann nicht mehr in meine ambulante Therapie. Ich werde wahnsinnig. Andere berichten von Suizidgedanken.
Wir erhalten Anrufe von Angehörigen, die sagen, dass ihre Frau oder ihr Mann eine Störung hat. Es gibt Leute, die versuchen, sich Hilfe zu holen. Aber dann sagen die Therapeuten: Das wird mir nicht bezahlt, wenn ich übers Telefon berate. Hier gibt es echte Probleme.
Wir hören am Telefon Geschichten von Leuten, die sagen: Ich kann nicht mehr in meine ambulante Therapie.
Vor gut anderthalb Wochen haben Sie die Plattform inCLOUsiv lanciert, die Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen helfen soll. Was ist die Idee dahinter?
Die Plattform ist ein Angebot für Leute, die zu Hause sitzen und Austausch und Informationen suchen. Wir sind überrascht, wie schnell die Nutzungen ohne weitere Kommunikation pro Tag zunehmen.
Wir liefern Tipps und Hintergründe. In den Foren können die Leute diskutieren und sich austauschen. Es wird auch einige Menschen geben, die auf der Plattform waren und dann bei unserer Beratung anrufen.
Aber jetzt ist es dann Zeit, die psychischen Belastungen in den Blick zu nehmen.
Die Welt befindet sich im Krisenmodus. Die Gesundheitssysteme vieler Länder stehen vor einer Belastungsprobe. Viele Unternehmen kämpfen ums Überleben, die Politik versucht, der Lage irgendwie Herr zu werden. Haben Sie das Gefühl, dass die Bedürfnisse von psychisch kranken Menschen bislang zu wenig im Fokus stehen?
Das war vor der Krise schon so. Es ist immer noch ein Tabuthema, das ist durch die Krise nicht anders geworden. Ich habe schon Verständnis, dass der Bundesrat sich zuerst um Vollversorgung, die Stützung der Wirtschaft und um Verhaltensregeln kümmert.
Aber jetzt ist es dann Zeit, die psychischen Belastungen, die viele in diesem Land jetzt neu oder stärker betreffen, in den Blick zu nehmen. Es ist Zeit, auch hier Hilfen anzubieten, damit nicht noch mehr Schäden in unserer Gesellschaft entstehen.
Was wünschen Sie sich von der Politik ganz konkret?
Dass sie sagt: Wenn Helfende, also Psychologen, Psychiaterinnen, Spitex und andere ambulante Dienste ihre Dienste nicht mehr live liefern können, dann müsste man für die Zeit der Krise auch telefonische Hilfeleistung vergüten können.
Es nützt ja auch nichts, wenn Leute die helfen könnten, in ihrer Praxis sitzen, aber keine Klienten empfangen können.
Das Gespräch führte Katharina Brierley.