«Ich habe jeden Monat starke Krämpfe und kann dann fast nicht arbeiten», erzählt eine junge Operationsassistentin bei einer anonymen Strassenumfrage. «Dann nehme ich Medikamente und bringe meinen Körper zum Funktionieren. Es wäre schön, wenn die Arbeitswelt offener für Menstruationsbeschwerden wäre.»
«Ein zweischneidiges Schwert»
Dafür sei die Gesellschaft noch nicht bereit, glaubt eine ältere Passantin: «Ich habe meine Schmerzen bei der Arbeit immer versteckt, denn ich gehöre zu einer Generation von Frauen, die noch für ihre Rechte einstehen mussten.»
Die Sorge, ein offener Umgang mit zyklischen Beschwerden im Berufsleben könnte die Errungenschaften der Gleichstellung gefährden, äussern auch andere Frauen bei der Umfrage: «Es gibt ja ohnehin schon Vorurteile, dass Frauen launisch und einmal im Monat nicht zu gebrauchen seien – das ist ein zweischneidiges Schwert.»
Ein feministisches Dilemma: Mehrere befragte Frauen wünschen sich zwar mehr Rücksicht auf Menstruationsbeschwerden im Berufsleben, gleichzeitig möchten sie nicht als weniger belastbar als ihre Kollegen gelten.
Petition für eine Menstruationsdispens
Jeden Monat still vor sich hin leiden – davon hatte Ornella Romito genug. Die 28-jährige Luxemburgerin forderte in einer Online-Petition in ihrer Heimat eine zweitägige Menstruationsdispens oder andere Erleichterungen für Frauen mit starken Beschwerden.
«Wenn Männer menstruieren würden, gäbe es das schon längst», davon ist Ornella Romito überzeugt. Sie hatte keine politische Erfahrung, als sie ihre Petition lancierte und staunte über das grosse Echo für ihr Anliegen.
«Periode ist keine Krankheit»
Im Oktober 2021 wurde sie ins luxemburgische Parlament eingeladen und diskutierte anderthalb Stunden lang mit den Abgeordneten, zum Beispiel über den Unterschied zwischen einem Menstruationsdispens und einer klassischen Krankmeldung. Ornella Romitos Standpunkt: «Die Periode ist keine Krankheit und sollte von Arbeitgebern auch nicht so gesehen werden.»
Sie fordert grundsätzlich mehr Rücksicht auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen während der Menstruation. Ein Dispens müsste aus ihrer Sicht nicht unbedingt einen kompletten Ausfall bedeuten. Oft würde es genügen, von zu Hause aus zu arbeiten oder die Stundenzahl zu reduzieren.
Diskriminierung oder Erleichterung?
In manchen Ländern gibt es bereits einen Menstruationsdispens, sagt Ornella Romito mit Verweis auf Indonesien, Taiwan, Südkorea, Sambia oder Japan. Allerdings gibt es kaum Daten dazu, ob Frauen diese Möglichkeit tatsächlich in Anspruch nehmen.
In Japan etwa scheint das nur selten der Fall zu sein. Eingeführt wurde der Dispens dort 1947, um Fabrikarbeiterinnen zu schonen und ihre Fruchtbarkeit zu erhalten. Auffallend ist, dass jene Länder, die einen Menstruationsdispens kennen, bei wichtigen Gleichstellungsindikatoren nicht besonders gut dastehen. In Südkorea zum Beispiel beträgt der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern rund ein Drittel, in Japan etwa ein Viertel.
Die Aufmerksamkeit ist ein Anfang
In Europa gibt es bisher in keinem Land einen Menstruationsdispens. In Italien wurde ein Vorschlag 2017 diskutiert, kam aber nicht bis ins Parlament. Zu gross war die Befürchtung, dass dies zu Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt führen könnte.
Auch in Luxemburg lehnten die Abgeordneten die Petition am Ende ab. Doch die politische Diskussion und die öffentliche Aufmerksamkeit für das Anliegen waren für Ornella Romito eine gute Erfahrung, denn sie zeigten, dass sie mit ihrem Anliegen nicht alleine ist: «Ich habe laut ausgesprochen, was andere nur leise sagen.»