SRF: Was steckt hinter dem Mega-Hype «Fidget Spinner»?
Rainer Buland: Wenn sich etwas bewegt, dann sind wir sofort darauf konzentriert. Es ist eine Grundkonstante unserer Wahrnehmung, auf Bewegung zu achten. Es könnte ja auch gefährlich sein.
Das ist der eine Teil der Faszination des Kreisels. Der andere Teil liegt in seiner erstaunlichen Stabilität im Raum. Sobald wir einen Kreisel drehen, ist er stabil – so funktioniert auch der Kreiselkompass im Flugzeug. Sobald wir ihn anhalten, fällt er um.
Der «Fidget Spinner» soll schon vor 20 Jahren erfunden worden sein. Was macht ihn gerade jetzt zum Must-Have der Stunde?
Cleveres Marketing. Wobei bei jungen Leuten etwas immer dann besonders gut ankommt, wenn es so aussieht, als steckte kein Marketing dahinter.
Was ist dran an der Behauptung der Erfinder, der Fingerkreisel sei gut für Kinder mit AD(H)S-Syndrom?
Das ist eine hübsche Story, die auch auf Schach zutrifft. Oder auf Puzzles. Es gibt unzählige Spiele, die Aufmerksamkeit einfordern.
Unser kleiner Kreisel ist da sicher nicht schlecht. Allerdings wird einem Kind, dem er therapeutisch verschrieben wird, der Spass sicher sofort vergehen. (lacht)
Der Fingerkreisel ist billig in der Herstellung, und Sie brauchen nicht viel zu erklären.
Der Fingerkreisel ist nicht das erste Gerät, das sich in Windeseile global verbreitet. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit so ein Ding den berühmten Nerv der Zeit trifft?
Es muss billig produzierbar sein – und kultur-unabhängig. Da fällt natürlich unser Fingerkreisel genau rein. Er ist billig in der Herstellung, und Sie brauchen nicht viel zu erklären.
Steht der «Fidget Spinner» für einen neuen Trend zum Analogen in unserer digitalen Welt?
Für uns etwas älteren Herrschaften, die nicht in einer digitalen Welt aufgewachsen sind, ist das Digitale und Analoge immer ein gewisser Widerspruch. Für unsere Jugend nicht. Für Digital Natives ist das Switchen zwischen der digitalen und analogen Wirklichkeit normal.
Sie haben mit Blick auf Ernö Rubiks Zauberwürfel einmal gesagt: Ein Spiel, das die Massen erobern will, muss an einen «elementaren Instinkt» appellieren.
Die Spiele müssen eine Herausforderung darstellen – sie müssen aber auch bewältigbar sein. Beim Rubik-Würfel hatte man immerhin die Hoffnung, vielleicht lerne ich das irgendwann.
Den meisten ist der Fingerkreisel völlig Wurst.
Lösen sich diese Hypes heute schneller ab als früher?
Diese Mode-Erscheinungen werden tatsächlich immer kurzlebiger. Man darf aber nicht vergessen: Wenn heute ein Hype ist wie jetzt um diesen Fingerkreisel, dann betrifft der ja nur ganz wenige Prozent der Bevölkerung. Den meisten ist der Fidget Spinner – wie wir in Österreich sagen – «völlig Wurscht».
Nicht nur auf dem Schulhausplatz – auch in den Schulzimmern scheint das Spielen immer wichtiger zu werden. Grosses Stichwort «Gamification»: Ist das eine gute Entwicklung?
Spielen ist für viele noch immer etwas Negatives. Da steckt viel protestantisches Denken dahinter, das sich in den Teufelsbüchern des 17. Jahrhunderts findet. Da ist das Lernen etwas, was uns «sauwer» sein muss.
Das ist völliger Unsinn. Die neue Gehirnforschung sagt eindeutig, dass wir nur durch Freude, Neugierde und Spass langfristig gut lernen.
Dann sollten besorgte Eltern aus der Lektion Fingerkreisel lernen, diese Spielzeug-Hypes entspannt zu sehen?
Den Hype müssen wir nicht mitmachen. Aber grundsätzlich ist so ein Kreisel etwas ganz Wunderbares.
Was kommt nach dem «Fidget Spinner»?
Selbst wenn ich's wüsste, würde ich es Ihnen nicht verraten.
Und wenn wir's nicht weitersagen?
Ein Handkreisel mit einem kleinen Elektromotor. Wenn sie’s nicht machen, sind sie selber schuld.
Das Gespräch führte Stefan Gubser.