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Plädoyer für die Jungen «Die ältere Generation versteht uns nicht mehr»

«Die Welt, die ihr nicht mehr versteht»: So lautet der Titel eines neuen Buchs. Geschrieben hat es der Österreicher Samuel Koch. Er ist 25 Jahre jung, Informatiker und Software-Unternehmer. In seiner Streitschrift sagt er, die Kluft zwischen den Generationen sei so gross wie noch nie.

Samuel Koch

Digitaler Unternehmer

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Samuel Koch (*1994) gründete nach einem Informatik-Studium ein Software-Unternehmen, das Unternehmen und deren Mitarbeitern digitale Kompetenzen vermittelt. Vor einigen Jahren rief er mit einem Partner die Startup Challenge Austria ins Leben, die jungen Menschen das Unternehmertum näherbringt. Derzeit arbeitet er an der Entwicklung einer eigenen Universität.

SRF: Generationenkonflikte gab's doch schon immer. Sie sagen aber, der Graben zwischen Alt und Jung sei grösser als je zuvor. Warum?

Samuel Koch: Das liegt vor allem an der Digitalisierung. Es stimmt natürlich, dass es den Konflikt schon immer gab. Aber ich habe als Jungunternehmer viel mit der sogenannten «Old Economy» zu tun, aber auch viel mit jungen Leuten. Da habe ich immer wieder festgestellt: Der Konflikt ist sehr stark.

Die ältere Generation versteht uns nicht mehr, weil wir durch die Digitalisierung ganz anders ticken.

Aus meiner Sicht gibt es eine Ursache dafür: Die ältere Generation versteht die jüngere Generation, also uns, nicht mehr, weil wir durch die Digitalisierung ganz anders ticken und ganz anders funktionieren.

Ab wann gehört man denn zu den Alten? Mit 50, mit 40 oder schon mit 30?

Es gibt natürlich Einzelfälle, wo junge Leute ein altes Mindset haben und umgekehrt. Aber wenn man ein Alter festlegen muss, würde ich sagen: Mit 40 sollte man sich strategisch zurückziehen und den jungen Leuten die Bühne freimachen, damit sie die Zukunft gestalten können.

Wie sollen denn 40-jährige Menschen ihr Arbeitsleben noch gestalten? In der Schweiz beispielsweise arbeitet man normalerweise bis 65, das sind noch 25 Jahre. Was sollen diese Menschen tun?

Das darf man nicht falsch verstehen. Hier geht es nicht darum, dass man mit 40 nicht mehr arbeitet. Meine Forderung ist, grosse Entscheidungen im digitalen Bereich – die Gestaltung der Zukunft im Bereich der Arbeit und der Politik – den jungen Leuten zu überlassen.

Mit 40 sollte man sich strategisch zurückziehen und den jungen Leuten die Bühne freimachen.

Ein wichtiges Thema in Ihrem Buch sind auch die Irrtümer, die über die Jugend kursieren. Welches sind denn Ihrer Meinung nach die drei grössten Irrtümer?

Ein Vorwurf, den es aus der älteren Generation immer wieder gibt: Viele junge Leute interessieren sich nicht mehr für Politik. Ich sage ganz klar: Das stimmt nicht. Nur haben wir ein ganz anderes Politikverständnis.

Wir sind in einer digitalen Welt aufgewachsen, wo wir alles bewerten, womit wir zu tun haben. Dadurch haben wir ein Gefühl für direkte Demokratie entwickelt, wo wir ganz nah am Entscheidungsprozess sein möchten.

Für uns bedeuten Beziehungen immer Freiheit, nicht Struktur

Ein zweiter Bereich, in dem wir ganz anders funktionieren, ist die Leistungsbereitschaft. Ich höre immer wieder den Vorwurf, dass wir nicht mehr leistungsbereit sind. Das ist auch ganz falsch. Ich sehe in den jungen Leuten sehr früh einen Wunsch und Drang nach Erfüllung und Sinnstiftung in der Arbeit.

Der dritte Bereich: Es gibt immer wieder den Vorwurf, dass wir nicht mehr tiefe Beziehungen eingehen können, sei es professionell oder privat. Das stimmt auch nicht. Der grosse Unterschied ist, dass für uns Beziehung immer Freiheit bedeutet und nicht Struktur und Erfüllung von gewissen Schemen.

Die Geschlechterfrage ist in Ihrem Buch kein Thema. Ist sie in Ihren Augen ein alter Zopf?

Ich habe in meinen Startups überhaupt keine Herausforderungen mit den Geschlechtern. Das Verständnis für die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist wirklich schon wesentlich in uns drinnen. Für mich ist das eher ein Problem von älteren Strukturen.

Buchhinweis

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Samuel Koch: «Die Welt, die ihr nicht mehr versteht. Inside digitale Revolution». edition a, 2019.

Wenn man Ihr Buch liest, bekommt man den Eindruck, dass die Welt eine bessere wäre, würde man nur die Jungen ans Ruder lassen. Glauben Sie das im Ernst?

Tatsache ist einfach: Der digitale Kunde der Zukunft im Bereich der Arbeit, das ist halt die nächste Generation. Bei Entscheidungen über ein Geschäftsmodell finde ich es gut, wenn dort die jungen Leute die Zügel in der Hand haben. Wobei ich immer zwei Seiten sehe. Unterstützung brauchen wir auf jeden Fall.

Das Gespräch führte Sandra Leis.

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