«Warum ich gekommen bin?» fragt eine ältere Dame mit kurzen weissen Haaren. «Das ist doch klar!» Danach schweigt sie. «Ich bin für den Frieden. Ich bete für den Frieden.»
Dann schaut sie mich ruhig an und erzählt: «Als ich jung war, hat man nach dem Zweiten Weltkrieg gesagt: Nie wieder Krieg. Das hat lange gehalten. Ich finde es entsetzlich, was passiert. Die Menschen tun mir sehr, sehr leid.» Die Frau ist zum «Gebet für den Frieden in der Ukraine» in der Offenen Kirche Elisabethen in Basel gekommen.
Wunsch nach Frieden
Dienstagabend, 1. März 2022, 18 Uhr: Man hört das Klack-Klack der vielen Klappstühle, die noch aufgestellt werden. Frank Lorenz, der Gastgeber, ermuntert die jüngeren Besucher, sich vorne auf den Boden zu setzen. Studierende, junge Eltern, Menschen mittleren und höheren Alters finden ihren Platz und werden ruhig. Etwa 600 Menschen stimmen das erste Lied an.
Sie singen gemeinsam das Lied «Dona la pace, Signore» – Herr, gib Frieden. Während des Singens zünden die Menschen Kerzen an. Ein kleines Licht in der Dunkelheit. Vertreter aus Kirchen und Politik drücken ihre Solidarität und ihren Wunsch nach Frieden aus.
Möge ein Wunder geschehen
Eine Ukrainerin berichtet von ihrer Heimatstadt Charkiw, die am selben Tag bombardiert wurde. Sie erzählt mit zitternder Stimme, dass ihre Familie weder Strom noch Wasser habe. In Fürbitten bitten Menschen Gott um ein Umdenken, um Abrüstung – um ein Wunder.
Ob in Schaffhausen, St. Gallen, Bern oder Jona: Seit Ende Februar laden reformierte und römisch-katholische Kirchen in der Schweiz zu Friedensgebeten ein. An vielen Orten sind die Gebete ökumenisch. Am Montagabend kamen über 1000 Menschen zum interreligiösen Gebet ins Zürcher Grossmünster.
«Das Herz offenhalten»
Die sonst oft leeren Kirchen sind zum Gebet für den Frieden proppenvoll. Einer sagt, er sei von den Nachrichten «beelendet» gewesen und habe die Ankündigung gesehen. Viele suchen hier die Verbundenheit mit Mitmenschen.
«Lange war jetzt jeder und jede für sich. Jetzt ist der Moment gekommen, um zu zeigen, dass wir zusammen für das Gute kämpfen», sagt ein Besucher mittleren Alters. Ein anderer meint, es sei schwierig, allein friedfertig zu sein. Die Menschen bräuchten sich gegenseitig. Jemand möchte «nachsinnen über das, was gerade passiert», und einer Frau ist es wichtig, ihr «Herz offenzuhalten».
Für manche ist Beten ein Appell, eine Aktion, ein Protest. Andere wiederum sind hier, weil sie auf eine höhere Macht hoffen. Das Gebet ist ein Nach-Innen-Gehen, das Verbundenheit und Solidarität stärkt und gleichzeitig ein Zeichen nach aussen.
Gegen das Vergessen
Daniel Frei vom Pfarramt für Weltweite Kirche Basel-Stadt und Basel-Landschaft hat den Abend in der Offenen Kirche Elisabethen mitorganisiert. Bei sich selbst und befreundeten Pfarrpersonen spürt er den starken Wunsch «etwas zu tun». Dem Schlimmen etwas Gutes entgegenzusetzen.
Das Schlimmste für die Menschen im Krieg sei, wenn sie das Gefühl hätten, vergessen zu werden, sagt Daniel Frei. Deshalb schickte er gleich während des Gebets ein Bild zur befreundeten Kirche in der Ukraine. Es zeigt die volle Basler Kirche Elisabethen. Ein kleines Zeichen der Verbundenheit und Solidarität.