Pyramide für Pyramide reicht Hany Abd el-Moneim seinem Bruder Mahmud, glitzernd-blaue aus Alabaster, weisse aus Kunststoff, verziert mit Hieroglyphen. Es folgen Tutenchamun-Büsten, golden bemalt, und Sphinx-Statuen.
Sie lagern über Nacht in den Metallboxen, auf denen die Brüder jetzt ihren Souvenir-Stand aufbauen. Es ist morgens um neun, die Sonne brennt gnadenlos. Schon jetzt hat es mehr als 30 Grad auf dem Plateau der Pyramiden von Giseh. Es liegt am Rand der Wüste, Kairo ist bis hier heraus gewuchert.
Blick vom Barhocker
Ein paar wenige Touristen schlendern Richtung Sphinx, die in Sichtweite thront. Die letzte Station der Besichtigung. Hany Abd el-Moneim hofft, dass sie danach eine Erinnerung kaufen an ihren Besuch beim einzig noch existierenden Weltwunder der Antike.
Ihren Stand haben die Brüder am Weg platziert, der zurück zum Ausgang führt. Hany, mit 36 der ältere, arrangiert noch Figuren auf der treppengleich ansteigenden Auslage. Mahmud, 30, hat sich auf einem durchgesessenen Barhocker unter dem Sonnensegel postiert. Mit geübtem Blick taxiert er potenzielle Kunden.
Geschenk des Präsidenten
Sie sind im Haram-Viertel geboren; Haram heisst auf Arabisch Pyramide. «Mit 12 Jahren habe ich angefangen zu arbeiten», sagt Hany – neben der Schule natürlich.
Er war der älteste Sohn unter zehn Geschwistern. Er erzählt auch, dass er im Jahr 2000 sein Studium der Betriebswirtschaft an der Uni abgeschlossen habe. Da war er gerade 19. Man kann das also glauben oder auch nicht.
Der Vater, ursprünglich aus der Oase Fayoum südlich von Kairo, wurde verwundet im Oktober-Krieg 1973, wie der Jom-Kippur-Krieg hier heisst. Am Feldbett im Lazarett versprach ihm der Präsident einen Kiosk an den Pyramiden. So versorgte das Land seine Veteranen – und so kam Hany an seinen Job. Er ist einer von ihnen, einer verschworenen Gemeinschaft aus dem Haram-Viertel, die ihr Geschäft gegen jeden Fremden verteidigt.
Kein Geld, zwei Frauen
«Ich habe als fliegender Verkäufer angefangen, mit Postkarten und Briefmarken, mehr konnte ich nicht tragen», sagt er. Es war einträglich; jeden Tag kaufte er beim Grosshändler neue Karten.
Im Jahr 2010 kamen 15 Millionen ausländische Touristen nach Ägypten, und die meisten wollten die Pyramiden sehen. «Jetzt steht ich hier jeden Tag von 8 bis 16 Uhr, und manchmal reicht das Geld kaum, um Essen für die Familie zu kaufen», sagt Hany.
Seine Frau und die vier Kinder müssen von den Einnahmen leben, sein Bruder samt Frau und zwei Kindern, ein drittes ist unterwegs. Und seine Mutter unterstützt er, seit der Vater gestorben ist. «Manchmal haben wir keine 150 Pfund in der Kasse», klagt er – umgerechnet acht Franken. Trotzdem will er bald noch einmal heiraten, eine zweite Frau. Und noch eine Familie gründen.
«Gute Breis»
Seit 2013 braucht man eine offizielle Genehmigung als Händler an den Pyramiden, die Zahl ist limitiert. «Aber die Leute kaufen nur die bekanntesten Sachen: Pyramiden, Tutenchamun, die Sphinx», sagt Hany. Anubis, der Schakal, Horus mit dem Falkenkopf, Osiris und all die anderen Götter: Ladenhüter.
Dabei sind Hany und sein Bruder sprachgewandt: Auf Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch preisen sie ihre Ware an und ihren «gute Breis»; das harte P auszusprechen fällt Ägyptern schwer. Auch Russisch, Chinesisch und Koreanisch haben sie gelernt. Man muss sich an der Nachfrage orientieren.
Die Europäer würden am ehesten Geld ausgeben, sagen sie, «aber das Aussehen spielt keine Rolle. Ein Geschäftsmann kann geizig sein, und ein Backpacker in Flipflops sehr grosszügig – das kann man nie wissen.»