Google und Snapchat gaben im Mai bekannt, dass sie ihre Kamera-Apps inklusiver machen wollen. Denn bis jetzt hatten die Tech-Giganten ihre Algorithmen an hellen Hauttönen programmiert.
«Oft registrieren Kamerahersteller unsere Hautfarbe als Schatten. So wird sie eher gräulich und matschig», sagt der ghanaisch-amerikanische Fotograf Joshua Kissi in einem Werbespot von Snap (auch als Snapchat bekannt).
Die weisse Haut als Norm
Die Erkenntnis ist nicht neu. Die Diskriminierung in der Fototechnik fing bereits in den 1940er-Jahren an. Damals brachte die Firma Kodak die erste Farbreferenzkarte auf den Markt – die «Shirley-Karte».
Diese Karte basierte auf einem Frauenporträt, das dem Fotolabor half, die richtige Hautfarb-Balance zu entwickeln. Jahrzehnte lang kalibrierte Kodak Kameras und Fotodrucker mithilfe dieses Standardbildes. Somit konnten sich Labortechniker weltweit am gleichen Farbsystem orientieren, was Qualitätssicherung gewährleistete.
Allerdings hatte dieses System einen Haken: Die Shirley-Karte war nach einem weissen Model benannt, dessen helle Haut zur Norm wurde. Dunklere Haut, die zusätzliches Licht absorbiert, berücksichtigte die Fotoindustrie lange nicht.
Kodak unter Kritik
Die mangelnde Inklusion führte bei Foto- und Filmschaffenden zunehmend zu Problemen. So weigerte sich der französisch-schweizerische Regisseur Jean-Luc Godard, in Mosambik mit einem Kodak-Film zu drehen. Godard beschimpfte ihn als rassistisch – die Mimik von dunkelhäutigen Menschen war auf den Aufnahmen kaum sichtbar.
In den 1970er-Jahren reagierte Kodak endlich. Allerdings nicht, weil dunkelhäutige Menschen auf Kodak-Filmen diskriminiert wurden, sondern weil man auf Werbefotos Vollmilch- und Zartbitterschokolade sowie Arten von Holzmöbeln nicht unterscheiden konnte.
Es dauerte noch 20 Jahre bis Kodak eine multiethnische Shirley-Karte mit drei Frauen verschiedener Hautfarben herstellte. Ein Schritt vorwärts – und doch gibt es bis heute viel Verbesserungspotenzial.
Dunkelhäutige Menschen sieht man nicht
Dass auch unsere modernen Kameras trotz des hohen Farbwert-Umfangs technische Limitationen haben, ist vielen nicht bewusst. «Dunkelhäutige Menschen nehmen an, dass ihre Hauttöne schwierig zu fotografieren sind, da sie sich nur in Lichtverhältnissen gesehen haben, die ihnen nicht schmeicheln», erklärt Fotograf Krissi.
Menschen mit dunklerer Hautfarbe waren davon überzeugt, dass sie schuld seien, wenn ihre Bilder nicht ansprechend wirkten. «Ich muss an meine Mutter denken, die wegen den Aufnahmen aus ihrer Jugend immer noch meint, sie sei nicht schön», sagt die afroamerikanische Kamerafrau Kira Kelly im Video zur Entwicklung der inklusiven Kamera von Google.
Besonders mit Einstellungen bei schlechten Lichtverhältnissen funktionieren Fotos von dunkelhäutigen Menschen kaum – dann sieht man sie nämlich nicht gut. Die interdisziplinäre Künstlerin Deun Ivory schätzt diese technischen Einschränkungen als eine strukturelle Diskriminierung ein: «Es bestärkt die Idee, dass dunkelhäutige Menschen es nicht Wert seien, gesehen zu werden.»
Wie werden Kameras inklusiver?
Google sammelt jetzt Tausende von Bildern, um die Datenbanken zu diversifizieren. Das Ziel sei, die Genauigkeit des automatischen Weissabgleichs und der Belichtung zu verbessern und so dunkelhäutige Menschen «schöner und naturgetreuer» darzustellen.
Ob die Resultate den Versprechungen entsprechen, sollen wir schon diesen Herbst selber beurteilen können.