«Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so schlimm wird», sagt Hans Demmel rückblickend. Diese Welt der rechten Medien, in die er für sechs Monate eingetaucht ist, sei «dunkel» und «abgrundtief».
Seit 40 Jahren arbeitet Hans Demmel als Journalist. Sein Vertrauen in die Medien war stets gefestigt. Doch vor einigen Jahren wurde ein Vorwurf immer lauter: jener der Lügenpresse.
Was bedeutet dieser Begriff genau? Was wird den sogenannten «etablierten Medien» vorgeworfen? Was passiert mit «leisen Zweiflern», wenn sie mehr und mehr in den Sog «alternativer Medien» hineingezogen werden, die behaupten, im Besitz der ganzen Wahrheit zu sein?
Abtauchen in die «Anderswelt»
Hans Demmel wollte selbst erfahren, wie rechte Medien sein Denken beeinflussen würden. Auch weil er wie viele andere in den letzten Monaten erlebt habe, «wie Menschen aus dem Bekanntenkreis in eine rechte, verschwörungstheoretische Szene abgleiten.»
Im August 2020 startete der Nachrichten-Journalist sein Experiment: Sechs Monate lang wollte er sich ausschliesslich bei «alternativen Medien» informieren. Dazu zählen etwa der Youtube-Kanal von Tichys Einblick, Ken Jebsens KenFM, MMNews, Compact und die Junge Freiheit.
Wenig Licht, kaum Hoffnung
Der Grundtenor, den er zu hören und lesen bekam, war eindeutig: Alles ist schlecht in Deutschland. «Merkel muss weg, Flüchtlinge sind grundsätzlich böse, der Staat ist verwahrlost, die innere Sicherheit nicht mehr gewährleistet. Corona-Diktatur.»
Erschaffen wird diese «Anderswelt» von erstaunlich vielen, ehemals renommierten und angesehenen Journalisten – fast ausnahmslos Männer. Anstrengend sei es gewesen, deren Inhalte zu konsumieren, beschreibt Hans Demmel in seinem Buch. «Angst, Abscheu und Müdigkeit» hätten sich abgewechselt.
Selbst er, der einen «Panzer aus Erfahrungen» und ein «Grundvertrauen in die etablierten Medien» mitbringe, habe zeitweise gezweifelt: Zum Beispiel an den Teilnehmerzahlen der Anti-Corona Demonstrationen in Berlin, die ihm auf den Videos höher schienen als von offizieller Seite ausgewiesen.
Für den Ausflug in die «Anderswelt» brauche es eine gehörige Portion Misstrauen, resümiert Demmel. Als erfahrener Journalist wusste er das vorher. An einer Stelle im Buch steht denn auch der Satz: «Ich kann mich wehren, weil ich es will.»
Das Misstrauen ist gewachsen
Trotzdem haben die sechs Monate in der Anderswelt Hans Demmels Denken beeinflusst: «Ich habe seither ein immenses Misstrauen entwickelt, gegen Quellen, auch gegen die etablierten Quellen, die ich seit Jahren nutze.» Zeitweise ging das soweit, dass er seinen eigenen Texten nicht mehr richtig trauen wollte.
Umso wichtiger ist Demmels Buch. Es lässt die Leserschaft in eine Welt eintauchen, auf die man sich ansonsten kaum freiwillig einlassen würde. Erschreckend und erkenntnisreich sind die Schilderungen. Womöglich hat das Buch das Potenzial Menschen wachzurütteln, die bereits zu den «leisen Zweiflern» gehören.