Die Badezimmerwände sind aus PET-Flaschen. Für die Oberfläche der Schränke wurden pflanzliche Abfälle verarbeitet. Als Wandisolation kommen alte Jeans und komprimierte «Tetra Pak»-Schnipsel zum Einsatz. Und der Teppich ist nicht gekauft, sondern gemietet – der Hersteller nimmt ihn nach Gebrauch zurück, um ihn wiederzuverwerten.
«Urban Mining» ist der Fachbegriff für den Prozess, aus städtischem Abfall neue Ausgangsmaterialien zu gewinnen. In einer kleinen Wohnung in Dübendorf zeigt die Eidgenössische Materialprüfungsanstalt Empa, wie das aussehen könnte.
Im Fachjargon wird die Empa-Wohnung «Urban Mining and Recycling Experimental Unit» genannt. Alles in ihr ist rezykliert oder rezyklierbar.
Trotzdem ist sie ästhetisch ansprechend und bietet hohe Wohnqualität. Die Studenten, die zu Testzwecken jeweils einige Monate darin wohnen, bestätigen das.
Die Stadt als Rohstofflager
«Für die meisten Materialien und Komponenten sind bereits Pfade da, um sie wieder in den Materialkreislauf einzuspeisen», sagt Enrico Marchesi, Innovation Manager NEST.
Der Kreislaufgedanke diktiert auch die Bauweise: Die Wohnung muss sortenrein zerlegbar sein, damit die einzelnen Elemente wieder rezykliert werden können. Keine Verbundmaterialien also, kein Leim. Alles ist geschraubt oder gesteckt.
Viele psychologische Hürden
«Diese Wohnung soll zeigen, dass Kreislaufwirtschaft in der Bautätigkeit machbar ist,» sagt Enrico Marchesi. Die Materialien sind vorhanden, die Technologie ebenfalls, «und die Erfahrung zeigt: Bauen in der Kreislaufwirtschaft muss nicht teurer sein.»
Doch eine traditionelle Branche wie die Bauwirtschaft reagiert träge auf neue Entwicklungen. Zahlreiche psychologische Barrieren müssen aus dem Weg geräumt werden.
Dennoch: «Es gibt keine Killerkriterien, warum man heute nicht schon so bauen sollte», sagt Marchesi. «Das Umdenken braucht einfach Zeit. Mit unserer Unit wollen wir Überzeugungsarbeit leisten.»
Wiederverwendung schont Ressourcen
Langsam wächst das Interesse am Bauen in der Kreislaufwirtschaft, stellt Pascal Angehrn vom Architekturbüro «in situ» fest. Das Baubüro ist ein Pionier in Sachen Wiederverwendung von alten Bauteilen.
«Früher müssten wir viel Überzeugungsarbeit leisten», sagt Angehrn, «heute kommen grosse Generalunternehmer zu uns und lassen sich beraten.»
3000 bis 4000 Abbruchbewilligungen werden in der Schweiz jedes Jahr erteilt. Nur ein Bruchteil von dem, das dabei als Abfall anfällt, wird bislang wiederverwendet. Dabei zeigen Projekte wie jene von in situ, wie sinnvoll und ansprechend Wiederverwendung sein kann.
Nutzen, was nutzbar ist
Im Werkhof Binz in Zürich etwa wurde ein altes Industrieareal zu einer Kreativoase umgebaut, nach dem Motto «Alles, was nutzbar ist, wird weiter genutzt».
Das Metalldach eines ehemaligen Unterstandes wird zu einer Fassadenwand umfunktioniert, Dachstützen werden zu Sitzbänken, alte Briefkästen werden weiterbenutzt.
«Wir wollten möglichst viel von dem Material, das wir hier vorfanden, weiterverwenden», sagt Pascal Angehrn. «Nicht nur schonen wir so Ressourcen und Energie, wir erzählen auch die Geschichte des Ortes weiter.»
Studie ist in Arbeit
«Man muss alles unternehmen, um die Wiederverwendung in der Baubranche zu fördern», sagt der Zürcher Architekt Olivier de Perrot. Er ist einer von vielen Akteuren der Wiederverwendungsszene in der Schweiz und hat die Online-Plattform «Salza» gegründet, auf der Bauteile zur Wiederverwendung ausgeschrieben sind.
Eine bessere Organisation aller Anbieter würde helfen, die Wiederverwendung zu etablieren, Angebot und Nachfrage zu bündeln und damit die Bauindustrie zu überzeugen, sagt de Perrot. Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt arbeitet er an einer Studie zur Wiederverwendung in der Schweiz.
Auch auf offizieller Seite ist der Handlungsbedarf also erkannt: Die Studie soll als Fahrplan dienen, um die Wiederverwendung in der Schweiz weiterzuentwickeln und so den Ressourcenverschleiss zu stoppen.