Das Kopftuch spiegelt die Gesinnung
Die iranischen Behörden reden die Kopftuchpflicht mit Plakaten schön, auf denen steht: «Hijab is like a shell for the pearl» (Der Hidschab ist eine Schale für die Perle). Gemeint ist: Der Schleier befreit die Frau vom Modezwang und schützt sie vor Belästigungen.
Die Iranerinnen handhaben diese Vorschrift unterschiedlich. Ein schwarzer Tschador, der den ganzen Körper bedeckt und das Gesicht eng einrahmt, verrät in der Regel Strenggläubigkeit und Regimetreue. Frauen, die farbige Tücher locker um den Kopf werfen und viel Haar sehen lassen, demonstrieren damit ihre weltoffene, antireligiöse Haltung.
Von männlichen und weiblichen Türklopfern
Der Umgang zwischen den Geschlechtern ist eigentlich streng reglementiert: Mann und Frau berühren sich in der Öffentlichkeit nicht, auch verheiratete Paare nicht. Männer reichen sich die Hand, Frauen geben sich Küsschen auf die Wange. Heutzutage begrüssen allerdings immer mehr Frauen auch einen fremden Mann mit Handschlag. Nach wie vor gilt aber: Einem Mann an der Haustür begegnet die Frau mit Kopftuch.
Bei traditionellen Türen hört sie am Klang des Türklopfers, ob ein Mann oder eine Frau klopft. Die Formen der Klopfer sprechen für sich.
Der Privatraum ist das Paradies
In Irans Wüstenstädten wie Yazd oder Kashan geht man durch trockenheisse, lehmbraune Strassen. Aber kaum öffnet sich eine Tür, steht man im Paradies: in einem ruhigen, kühlen Innenhof mit Brunnen, Granatapfelbäumen und Sitzgelegenheiten.
«Paradies» ist wörtlich gemeint: Das griechische Wort parádeisos für den «Garten Eden» stammt aus dem Altpersischen und bedeutete ursprünglich «Umzäunung, Garten, Hof». Auch sozial gesehen ist dieser Innenhof ein geschützter Raum. Hier spielt sich das private, nicht kontrollierte Leben ab. Im Gegensatz dazu steht die «unwirtliche» Aussenwelt der Öffentlichkeit mit ihren Regeln und Restriktionen.
«Von allem viel!»
Trotz modernen Einkaufszentren behält der Grosse Bazar von Teheran seine Bedeutung für die Einheimischen. Was im Iran hergestellt oder importiert wird, findet man hier, wie die schweizerisch-iranische Schriftstellerin Kathy Zarnegin bemerkt: «Schalen voll Safran, Stoffballen ohne Ende, T-Shirts mit gefälschten Logos. Und von allem viel!».
Ausserdem geht man in den Bazar, um sich zu begegnen. Iraner mischen sich ungeniert und lustvoll in fremde Gespräche ein. Das kann einem natürlich ärgern. Für Touristen ist es ein Glücksfall: «Where are you from?» «Switzerland.» «Welcome to Iran. Can I help you?»
Abseits der Sittenwächter
Darband ist eine Felsenschlucht am nördlichen Stadtrand von Teheran, am Fuss des knapp viertausend Meter hohen Bergs «Tochal». Weit in die Schlucht hinein reiht sich Restaurant an Verkaufsstand. Die Tehranis lockt weniger die wildromantische Landschaft hierhin als die relative Freiheit vor den Sittenwächtern.
Liebespaare können hier auf versteckten «Tachts» (mit Teppich ausgelegte Sitzflächen) ein Tête-à-Tête haben, Frauen das Kopftuch ablegen. Auch an Alkohol kommt man. Allerdings wissen das die Sittenwächter inzwischen auch.
Sharbat und Tee - Trinkkultur ohne Alkohol
Offiziell ist im Iran Alkohol verboten. Um so erfindungsreicher sind die IranerInnen bei nichtalkoholischen Getränken. Grundsätzlich wird jede Gelegenheit genutzt, um Schwarztee («chai») zu trinken. Gesüsst mit Safranzucker und geschmacklich angereichert mit Rosenknospen, Kardamomsamen oder Zimtrindenstückchen.
Besonders exotisch sind «Sharbat» (Sirupgetränke) aus Blütendestillaten, Kräutern, Säften und Fruchtstücken. Alle Kombinationen sind erlaubt. A propos erlaubt: Religiöse Minderheiten wie Juden oder armenische Christen dürfen sogar Alkohol trinken, aber sie dürfen ihn weder kaufen noch importieren.
«mitunam aks begiram?»
Noch lebt das traditionelle Handwerk im Iran. In offenen Werkstätten arbeiten Tuchdrucker, Kesselschmiede, Kupfergravierer, Kalligraphen oder Bäcker. Man wird hereingewinkt und kaum einer verneint die Frage «mitunam aks begiram?» («darf ich ein Foto machen?»).
Brot isst man in mehreren Varianten von Fladenbrot («nan»), gebacken in sehr verschiedenen Öfen. Dieses «sangak» («Steinbrot») wird von Hand an die Innenwand eines «Tanur» genannten Ofens geklebt. Bevor es in die Glut fallen kann, holt es der Bäcker mit einem Haken heraus. Derweil sitzen die Kunden auf einer Holzbank und warten auf ihr ofenfrisches Brot.
«We’re not terrorists»
IranerInnen ist der schlechte Ruf ihres Landes schmerzhaft bewusst. Sie haben es satt, die Bösewichte der Welt spielen zu müssen. Trotz der deprimierenden Situation sind viele junge Menschen heiter und kontaktfreudig. Immer wieder bitten uns Lehrer, mit ihren StudentInnen ein wenig Englisch zu üben.
Diese Mädchenklasse ist nach der Schule in die Moschee gekommen, einfach so. Die meisten von ihnen wollen weg aus dem Iran. Nach Europa. In die USA. Dahin, wo es hoffentlich eine Zukunft gibt.