Früher Knorrli, heute Influencer: Anspruch und Ansprache der Werbung veränderten sich auch in der Schweiz. Um heute erfolgreich zu werben, braucht es koordinierte Kommunikation auf allen Kanälen – die klassische «Reklame» gibt es nicht mehr. Werberin Nadine Borter von der Werbeagentur Contexta weiss, wie die Schweizer Agenturwelt von heute tickt.
SRF: Seit 1950ern gab es in der Werbung etliche Figuren wie Knorrli, den Gilb oder Meister Proper, die für ein Produkt standen. Heute nicht mehr. Weshalb?
Nadine Borter: Das hat mit der Zeit zu tun und auch, wie Werbung funktionieren kann und soll. Dass sich alles auf eine symbolische Figur beschränkt, ist heute zu kurz gedacht. Aber: Auch heute identifiziert man sich über starke Symbole.
Warum reichen Figuren heute nicht mehr?
Ich als Konsumentin oder Konsument möchte glaubhaftere, authentischere und für mich persönlich relevante Botschaften finden. Dass das alles nur über eine Figur passiert, ist schwierig umzusetzen.
Es wird also nicht nur ein Produkt, sondern ein ganzer Komplex beworben?
In der Kommunikation sprechen wir heute von Marken, nicht mehr von Produkten. Der Anspruch der Kommunikation ist umfassender geworden. Zu einer Marke gehört heute auch: Welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat ein Unternehmen? Für welche Werte steht ein Unternehmen?
Welche Rolle spielen ethische Überlegungen bei einer Kampagne? Achtet man beispielsweise darauf, dass man kein «Greenwashing» betreibt?
Das spielt eine enorme Rolle. Umso glaubhafter man ist, umso erfolgreicher ist man letztlich.
Das knappste Gut der Menschen ist Zeit. Da stört Werbung immer.
Die Kanäle sind vielfältiger geworden. Wie gehen Sie damit um, dass dauernd neue Kanäle dazukommen, die Sie bespielen müssen?
Das knappste Gut der Menschen ist Zeit. Da stört Werbung immer. Die Frage ist also: Wie kann ich sie relevant, spannender, unterhaltsamer machen? Das ist heute mit der Vielfalt der Kanäle möglich und damit eine Riesenchance für die Kommunikation.
Was wäre für Sie ein Beispiel einer besonders geglückten Werbe-Zusammenarbeit?
Für den Appenzeller Käse. Unsere Agentur arbeitet seit 51 Jahren für die Marke.
Diese Appenzeller, die das Geheimnis des Käses nicht preisgeben wollen, sind schon einige Jahre alt. Wie weiten Sie das Bestehende aus?
Das Gleiche immer wieder anders zu erzählen, erfordert Kreativität. Letztlich entscheiden wir Menschen bei der Kaufentscheidung emotional und nicht rational. Wir müssen also ein Storytelling entwickeln, das die Menschen gerne schauen und das begeistert, obwohl das Produkt bereits seit über 700 Jahren das gleiche ist.
Wie sieht die Werbelandschaft in der Schweiz aus,?
Die Schweiz ist klein, man kennt sich. Vom Arbeitgebermarkt her ist es wichtig, dass die Branche sich entwickelt, damit die Branche attraktiv bleibt. Wir sind auf neue, junge Talente angewiesen. Man versucht dort, wo man kann, zusammenzuarbeiten – ist aber gleichzeitig harte Konkurrenz.
Das Gespräch führte Michael Sennhauser.