Frauen und Männer lebten in 99 Prozent der bisherigen Menschheitsgeschichte egalitär. Das zumindest wird in einem kürzlich erschienenen Buch des Evolutionsbiologen Carel van Schaik und des Historikers Kai Michel behauptet.
Entstehung der sozialen Ungleichheit
Nebst der Sesshaftwerdung des Menschen vor rund 12'000 Jahren und der Entwicklung hin zum Privateigentum, lieferte gemäss van Schaik und Michel auch der Monotheismus, also der Glaube an einen einzigen Gott, einen unrühmlichen Beitrag zur Entstehung der sozialen Ungleichheit. Van Schaik und Michel schreiben sogar: «Der Monotheismus wurde zur Katastrophe der Frauen.»
Den Autoren geht es aber nicht um krude Religionskritik. Sie wollen vielmehr nachvollziehen, wie sich aus einer damals polytheistischen Gesellschaft eine männlich dominierte Spielart der Religion – nämlich der Monotheismus – durchsetzen konnte.
Religion als Schutzsystem
Die Autoren betrachten Religion dabei quasi als Überlebensstrategie des Homo sapiens. Ein «kulturelles Schutzsystem», das in vorwissenschaftlichen Zeiten die Geschicke der Welt von höheren Mächten bestimmt sah. So galt es, die Götter positiv zu stimmen, um ihre Gunst zu erfahren.
Da die Sesshaftigkeit zu bisher ungekannten Problemen führte, waren deshalb auch neue Lebensbewältigungsstrategien und Riten gefragt. Die Gesellschaft wurde zunehmend ausdifferenziert, Geschlechterrollen polarisierten sich.
Während die Reputation der Männer früher stark vom Jagderfolg und dem Verteilen der Beute abhing, übernahm der Krieg weitestgehend diese Funktion. Frauen waren tendenziell für den Alltag, also Gesundheit und Natur zuständig.
Diese neuen Tätigkeitsfelder formten männliche und weibliche Religionssphären. Die «Alltagsreligion» der Frauen wurde komplementiert durch die männliche Sphäre, die sich um territoriale Fragen drehte.
Siege widerspiegelten Beistand Gottes
Über Jahrtausende hinweg avancierte sie dadurch zur «Herrschaftsreligion». Denn die Grösse des Sieges widerspiegelte den Beistand Gottes. Mit den Kriegserfolgen konnte man also auch die göttliche Erwählung demonstrieren.
Dieser «privilegierte Zugang» zur höheren Macht wird die wichtigste Legitimationsquelle irdischer Herrschaft. Männer wurden so zu «Günstlingen der Götter», wie es die Autoren nennen.
Ein fruchtbarer Boden für die daraus wachsende israelitische Religion mit dem einen Gott Jahwe – ein exklusiver Monotheismus. Von ihm erzählt denn auch das Alte Testament immer wieder: ein eifersüchtiger Alleinherrscher, dem man unbedingt zu gehorchen habe.
Es entstanden akkurate Gesetze, die den Willen dieses Gottes rekonstruierten, um sich von seinem Zorn zu schützen. Allem voran durch den Verzicht auf Götzendienst.
Frauen beteten andere Götter an
Die dadurch erzwungene religiöse Monokultur war ein Angriff auf die weibliche Sphäre mit weitreichenden Folgen: Frauen wurden religiös enteignet. Man konnte ja nicht riskieren, dass sich durch ihr Anbeten anderer Götter der Zorn Jahwes er das ganze Volk Israel ausbreitete. Also musste man sie kontrollieren.
In der Institutionalisierung des Monotheismus mit ausschliesslich männlichen Repräsentanten begannen sich diese Herrschaftsstrukturen zu verfestigen. Exemplarisch im 4. Jh. n. Chr. als das Christentum durch Konstantin den Grossen Staatsreligion des römischen Reiches wurde.
Umso erstaunlicher erscheint deshalb die egalitär ausgerichtete Jesus-Bewegung, die dem damaligen Zeitgeist gänzlich entgegenstrebte. Ihr Erbe wurde augenscheinlich nicht fortgeführt und durch philosophische Konzepte der römisch-griechischen Antike gar konterkariert, so dass wir noch heute an den damaligen Entwicklungen zu nagen haben.