In der Schweiz nehmen jedes Jahr etwa 1000 Menschen die Dienste einer Sterbehilfeorganisation wie Exit oder Dignitas in Anspruch. Tendenz steigend. Diese Menschen sind schwer krank oder haben ein chronisches Leiden.
Der assistierte Suizid ist in der Schweiz aus rechtlicher Sicht möglich, wenn er nicht aus «selbstsüchtigen Motiven» erfolgt. Nach christlicher Überzeugung allerdings ist das Leben ein Geschenk Gottes. Ist da Sterbehilfe aus religiöser Sicht zulässig?
Solidarität bis zum Ende
Die evangelisch-reformierte Kirche ist in der Schweiz in Kantonalkirchen organisiert und diese vertreten unterschiedliche Positionen. Generell betont die reformierte Theologie die Option für das Leben. Suizidbeihilfe sei äusserster Notfall und nicht einfach eine von mehreren Möglichkeiten am Ende des Lebens.
Suizid ist eine Sünde
Die römisch-katholische Kirche hingegen lehnt den assistierten Suizid klar ab. Die Schweizer Bischöfe setzen Suizid und assistieren Suizid gleich und bezeichnen ihn als «Sünde».
In ihrer Orientierungshilfe «Seelsorge und assistierter Suizid» schreiben sie im Dezember 2019: «Suizid ist objektiv betrachtet eine schlechte Handlung, und keine aufrichtige Absicht oder ein Umstand macht dieses Schlechte zu etwas Gutem oder kann es rechtfertigen.»
Mitgehen bis zum letzten Atemzug?
Der Knackpunkt für die Kirchen ist die Frage, ob Seelsorgerinnen und Seelsorger beim assistierten Suizid dabei sein sollen, wenn Gläubige dies wünschen.
Der evangelische Seelsorger und Psychotherapeut Pascal Mösli erklärt: «Die evangelischen Kirchen wollen Menschen, die an Suizid denken und ihn vielleicht auch machen, nicht allein lassen.»
Er betont jedoch, dass kein Pfarrer gezwungen werden könne, bei einem begleiteten Suizid dabei zu sein. Er müsse sich jedoch um einen Ersatz bemühen.
Werden Seelsorger zu Komplizen?
Die Bischöfe betonen einerseits, wie wichtig es sei, die Betroffenen und ihre Angehörigen zu begleiten. Andererseits dürften die Sakramente der Versöhnung, Krankensalbung und Eucharistie vor einem assistierten Suizid auf keinen Fall gespendet werden. Und der Seelsorger müsse den Raum verlassen, wenn das todbringende Präparat eingenommen wird.
Dazu meint die reformierte Pfarrerin Sibylle Forrer aus Kilchberg ZH: «Ich kann nicht nachvollziehen, dass wir Menschen in dem Moment allein lassen sollten, in dem ihr Wunsch besonders gross ist, nicht allein zu sein oder in dem ihre Ängste besonders gross sind.» Sie will Menschen in jedem Moment ihres Lebens beistehen.
Palliativseelsorge als Alternative
Pascal Mösli, der in der Palliativseelsorge der reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn führend ist, betont: «Die Kirchen unternehmen mit der Bewegung ‹Palliative Care› alles, damit kein Mensch assistierten Suizid in Anspruch nehmen muss.»
Deshalb geniesst die Palliativ Care auch Zuspruch von allen Seiten. Darin sind sich die Kirchen einig.