Lange Zeit hat sich kaum jemand daran gestört, dass die Schweizer Kultur von Stiftungen vermögender Russinnen und Russen unterstützt wird. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine schaut man genauer hin.
Wie viel russisches Geld in die Schweizer Kultur fliesst, lasse sich kaum beantworten, sagt der Basler Rechtswissenschaftler und Anti-Korruptions-Experte Mark Pieth. Von den insgesamt 13'000 Stiftungen in der Schweiz sollen nur ein Bruchteil durch die Eidgenössische Stiftungsaufsicht ESA beaufsichtigt werden: «Man weiss, dass das nur bei etwa nur 4000 bis 5000 Stiftungen der Fall ist.» Die restlichen Stiftungen werden von kantonalen Behörden kontrolliert.
Intransparentes Stiftungswesen
Wie viele dieser Stiftungen von russischen Vermögenden gelenkt werden, sei nicht klar. «Das Stiftungswesen in der Schweiz ist äusserst intransparent», so Pieth.
Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht äussert sich nur schriftlich, bestätigt aber Pieths Annahme: «Die Eidgenössische Stiftungsaufsicht führt keine Listen, die nach Stiftungszweck oder nach Herkunft der Stifterin und Stifter oder der Mitglieder des Stiftungsrats unterscheidet.»
Deshalb bleibt auch verborgen, welches Geld von wem an wen fliesst. Wenn man von russischen Stiftungen spreche, müsse man jedoch stark differenzieren, betont Pieth: «Der Stifter kann ein Russe sein. Das heisst aber nicht, dass auch Russen die Empfänger des Geldes sind. Er könnte auch ein Unverdächtiger der Stifter sein. Die Stiftung könnte also nicht russisch erscheinen, aber das Geld könnte Russland oder gar sanktionierten Russen zugutekommen.»
Die Schweiz ist ein interessanter Finanzplatz
Stiftungen mit Vermögen von reichen Russinnen und Russen, die kulturelle und wohltätige Einrichtungen in der Schweiz fördern, dürfte es einige geben. Viele vermögende Russen ziehe es in die Schweiz, sagt Mark Pieth. Die Schweiz sei für sie traditionell ein interessanter Finanzplatz.
«Man hat hierzulande schon sehr lange für Russen günstige Strukturen geschaffen, mit denen man vielleicht auch nicht ganz legal erworbenes Geld verstecken kann», sagt der Rechtswissenschaftler.
Nicht legal erworbenes Geld lässt sich gut in Stiftungen verstecken. Stiftungen geniessen ein positives Image, man verbindet sie mit philanthropischen Zielen. Zudem seien die Kontrollen der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht nicht besonders streng, sagt Pieth.
Überforderte Stiftungsaufsicht?
Mark Pieth glaubt, die Eidgenössische Stiftungsaufsicht sei schlicht überfordert. Er sieht dahinter ein strukturelles Problem: «Man hat das von schweizerischer Seite aus und vor allem auf Bundesebene nicht wirklich ernst genommen. Das ist so ein der Blinddarm des Finanzplatzes.»
Angesichts dieser Überforderung dürfe man also keine allzu hohen Erwartungen an die ESA stellen, wenn es darum gehe, Sanktionen gegen russische Oligarchen durchzusetzen.
Bei der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht heisst es darauf salomonisch: «Wenn Sanktionen Organe der Stiftung treffen, etwa die Geschäftsführung oder einzelne Mitglieder des Stiftungsrats, beurteilt die Eidgenössische Stiftungsaufsicht den konkreten Einzelfall, um die Handlungsfähigkeit der Stiftung sicherzustellen.»