Mit strahlenden Augen in glücklichen Gesichtern gingen viele von uns in der Kindheit ins Warenhaus. An verschiedensten Auslagen vorbei führte der Weg in Richtung Spielwarenabteilung, einer Art Paradies.
Die neue Art von Handel
Ähnlich glücklich müssen sich die Menschen in der Schweiz Ende des 19. Jahrhunderts gefühlt haben, als sie das erste Schweizer Warenhaus besuchten: unterschiedlichste Waren in einem Haus, zu günstigen und fixen Preisen, mit Umtauschrecht.
Warenhäuser bedeuteten eine neue Art von Handel: Bis anhin kannte man hierzulande Läden für einzelne Warengruppen wie Kleider oder Lederwaren oder Märkte.
Der Warenhaus-Pionier
Julius Brann gründete 1896 in Zürich das erste Schweizer Warenhaus. «Er kam als Zwanzigjähriger aus Preussen in die Schweiz und hat ziemlich mutig ein Warenhaus eröffnet», sagt Angela Bhend.
Die Historikerin hat zur Geschichte der Warenhäuser in der Schweiz geforscht und dazu das Buch «Triumph der Moderne» veröffentlicht. «Bereits in seinem ersten Warenhaus am Talacker 50 arbeiteten sechzig Angestellte.»
Brann war ein Einwanderer aus Preussen. «Er war ein typischer Warenhausgründer», so Angela Bhend. Auch, weil er Jude war.
Ab 1866 war es Jüdinnen und Juden endlich erlaubt, in der Schweiz freien Wohnsitz zu nehmen. «Hauptsächlich ausländische Juden emigrierten vom Elsass oder von Deutschland – oder damals Preussen – in die Schweiz», erklärt die Historikerin. «Viele kamen als Marktfahrer und haben hier Potenzial für ein Warenhaus gesehen.»
Manor, Loeb und die EPA
Bald schon expandierte Julius Brann sein Warenhaus an die Zürcher Bahnhofstrasse. Später gründeten die jüdischen Familien Nordmann und Maus die «Manor», die Familie Loeb in Bern ihr gleichnamiges Warenhaus. Auch die EPA, die «Einheitspreis AG», hatte nebst Julius Brann weitere jüdische Mitbesitzer.
Warenhäuser haben die Gesellschaft nachhaltig verändert: Sie revolutionierten das Einkaufsverhalten ebenso wie den Kleidungsstil – nicht ohne Widerstand.
Widerstand gegen Warenhäuser
Die kleinen Einzelhändler in der Schweiz fühlten sich in ihrer Existenz bedroht. Rechtsgerichtete Kreise formierten in den 1930er-Jahren vom Antisemitismus beflügelt eine Mittelstandbewegung.
«Sie hatte es auf die EPA, das Billig-Warenhaus, abgesehen», sagt Historikerin Angela Bhend. «Diese Mittelstandsbewegung erwirkte, dass auf Bundesebene ein dringlicher Beschluss erlassen wurde, der Warenhaus-Eröffnungen und weitere Filialen verbot.»
Das Verbot trat 1933 in Kraft und bestand bis 1945. Er betraf jüdische wie nicht-jüdische Warenhausbesitzer gleichermassen. So zum Beispiel auch die Migros.
In der Folge verkaufte Julius Brann 1939 sein Warenhaus und die EPA und emigrierte in die USA. Andere, kleinere Warenhäuser sind verschwunden.
Hin zum ultimativ globalen Warenhaus
Loeb in Bern hingegen ist noch immer in Familienbesitz. Auch Manor hat es bis ins Heute geschafft.
Doch Warenhäuser kämpfen immer noch ums Überleben. Bedroht werden sie nicht mehr von Filialverboten, sondern vom Online-Handel. Denn heute ist das Internet das ultimative globale Warenhaus.