Schokolade spielte im Tessiner Bleniotal seither eine wichtige Rolle: Es wird erzählt, ein Blenieser sei sogar der Erfinder der Schokolade. Um 1520 war ein Koch aus dem Bleniotal namens Bianchini am spanischen Königshof.
Die Königin bat ihn, aus den Kakaobohnen – eine Neuheit aus Südamerika – etwas zu kreieren. Bianchini erfand ein Getränk – die Schokolade. Noch bitter und wenig verwandt mit der heutigen Schokolade, wurde das neuartige Getränk sofort Mode an allen europäischen Höfen.
Diese Anekdote erzählt der Architekt Marino Venturini. Er hat im ersten Stock der ehemaligen Schokoladenfabrik ein kleines Museum eingerichtet, das die Geschichte der Cima Norma dokumentiert.
Eine Schokoladenfabrik in einem Bergtal
Schon immer hatten Menschen das karge Bleniotal verlassen, um in Mailand, Paris oder London ein Auskommen zu finden. Viele wurden als Chocolatiers reich, so auch die Eltern der Cima-Brüder, die in Nizza Schokolade hergestellt hatten.
Die Cimas kehrten zurück: 1903 gründeten die drei Brüder in ihrem Heimatort Dangio-Torre eine Schokoladenfabrik.
«Ein hirnwütiges Projekt, in so einem Tal eine so grosse Fabrik zu bauen», sagt Venturini. «Aber sie wollten wahrscheinlich ihrem Dorf und dem Tal etwas zurückgeben.»
Anfangs hatten die Cima-Brüder kein Glück: Schon fünf Jahre nach dem Bau wurde die Fabrik durch einen Sturzbach komplett zerstört.
Und weil die Brüder nicht versichert waren, musste ein anderer Rückkehrer einspringen: Giuseppe Pagani war als Hotelier in London reich geworden und stieg ins Schokoladengeschäft ein.
Aus Cima wird Cima Norma
Er kaufte in Zürich eine zweite Fabrik, die Norma, und führte beide Fabriken zusammen: Cima Norma war geboren. Zugleich gewann er einen wichtigen, neuen Kunden: den Schweizerischen Konsumverein, später Coop.
Giuseppe Pagani verlegte die gesamte Produktion nach Dangio-Torre. Alle Rohstoffe mussten mit Ross und Wagen ins Bergtal transportiert werden. Warum verlegte er die Produktion nicht nach Zürich, was viel einfacher gewesen wäre?
Pagani sei als Bleniesi dem Ort und dem Tal verpflichtet gewesen, sagt Marino Venturin: «Einerseits wollte er den Leuten Arbeit verschaffen. Aber er musste da auch niedrigere Löhne bezahlen als in Zürich.»
Ein Schock für das ganze Tal
Die Fabrik wuchs schnell und bis ins Jahr 1920 beschäftigte die «Cima Norma» knapp 500 Leute. Nach dem Krieg, in den 1950er-Jahren, erzielte die Fabrik ihre besten Umsätze und verhalf dem Dorf zu Wohlstand.
«Das Dorf Dangio-Torre war in der Zeit reicher als die Stadt Lugano, es hatte einen tiefen Steuersatz und viele gute Steuerzahler. Auch die Fabrik bezahlte viel Steuern an die Gemeinde», sagt Marino Venturini.
Nicht nur das Dorf, das ganze Tal profitierte vom Reichtum, den die Fabrik einbrachte. Doch 1966 stieg Coop aus dem Liefervertrag aus. Zwei Jahre später musste die Fabrik schliessen.
Alle 300 Angestellten wurden entlassen. Ein Schock für das Bleniotal, von dem es sich lange nicht erholt hat.
Mit Kunst der Fabrik neues Leben einhauchen
Die Fabrik steht noch, ein Industriedenkmal des Jugendstils von rauer Schönheit. In den 1980er-Jahren hatte sich der Architekt Marino Venturini in die Fabrik verliebt.
Er beschloss, Kultur und Kunst in die alte «Cima Norma» zu bringen. Seit zwei Jahren kümmert sich eine Stiftung um die kulturelle Bespielung.
Venturini ist nicht in der Stiftung – er hat dafür die Schokolade «Cima Norma» wiederaufleben lassen: In einer ersten Sonderedition gibt es vier Schokoladentafeln, die Verpackungen stammen aus dem ersten Jahrzehnt der Fabrik.
«Geniessen und die Verpackungen sammeln!», ist Venturinis Rat. Eine süsse Erinnerung an eine bittersüsse Geschichte.