Auch der Schweizer Heimatschutz weiss, dass man mit eindrücklichen Bildern die Leute im Sack hat. Darum hat er für seine neuste Publikation den Fotografen James Batten an Bord geholt und ihn auf Bilderjagd entlang von 35 Wegstrecken losgeschickt – kreuz und quer durch die ganze Schweiz.
Von Bergen in Szene gesetzt
Das Ganze funktioniert prima. Beim Durchstöbern der 35 Faltblätter – mit Karten, kurzen Texten und vielen Bildern – sind die Titelbilder eine Augenweide.
Etwa das Bild der Route 28 über den Sustenpass: Zu sehen ist eine karge, blasse Hochgebirgslandschaft. Im Hintergrund fasst ein Kranz von felsigen Bergen die Szene, im Vordergrund liegen eine mit Steinen durchsetzte Sommerweide und mittendrin eine Strasse, die beidseitig von Stützmauern eingepackt ist.
Man spürt: Hier haben vor langer Zeit Leute gemeinsam tapfer gearbeitet und alles darangesetzt, den unwirtlichen Sustenpass überquerbar zu machen, um von Bern Richtung Gotthard zu gelangen.
Sauberes Werk, sicherer Weg
Tatsächlich erfährt man im Faltblatt, dass 1811 mit dem Bau dieser Passstrasse begonnen wurde, weil die wirtschaftliche Bedeutung der Verbindung Bern-Gotthard erkannt wurde. Man erfährt auch, dass im Sommer ein sicherer Weg für Fuhrwerke mit einer Last bis zu 250 Kilogramm und im Winter für Schlitten nötig war.
Man liest, dass die Arbeiter die Steine vor Ort für den Bau der stabilen Trockenmauern verwendet haben. Und dass sie wussten, wie man die Wasserdurchlässe präzis in die Mauern setzen musste, damit das Bauwerk der alpinen Witterung standhielt. Ihr Handwerk haben sie perfekt beherrscht, denn die alte Passstrasse existiert noch. Und sie ist noch immer begehbar.
Nach allen Regeln der Ingenieurskunst
Auf einer gefalteten A4-Seite wird deutlich: Ein zehn Kilometer langes Stück Weg ist ein Strassenbaukunstwerk. Hier kreuzen sich Wirtschafts- und Kulturgeschichte, Handwerk und Technik. Dass das Faltblatt auch einen Kartenausschnitt von «swisstopo» bietet, dem Bundesamt für Landestopografie, versteht sich von selbst.
Ein Blick auf diese Karte erinnert uns auch daran, dass während des Zweiten Weltkrieges die neue Sustenpassstrasse nach allen Regeln der Ingenieurskunst in die Landschaft hineingebaut wurde. Die Ingenieure hatten den Auftrag, das «Bauwerk so zu formen, dass es mit der erhabenen Landschaft zur Einheit wird».
Für den Schuber mit 35 Wandervorschlägen hat der Heimatschutz nicht nur einen Fotografen losgeschickt, er hat für die Auswahl auch das Bundesinventar der historischen Verkehrswege der Schweiz konsultiert. Fast 3700 historisch wichtige und bautechnisch interessante Kilometer sind in diesem Inventar erfasst.
Landschaften als Kulturerbe
«Historische Pfade» ist eine freundliche Einladung, Wege mit den dazugehörenden Stützmauern, Treppen, Brücken und Tunnels als Teil des Kulturerbes zu betrachten.
Ohne die gemeinschaftliche Nutzung und Instandhaltung würden sie, und damit ein Teil der Geschichte, verschwinden. Das Buch ist aber auch eine Aufforderung, beim Wandern die Schönheit der Kulturlandschaften zu betrachten, so lange es sie noch gibt.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 20.04.18, 8:20 Uhr