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Schweizer Kulturdenkmäler Was ist wichtiger: Energieeffizienz oder Denkmalschutz?

Der Schweizer Denkmalschutz gerät wegen der Verdichtung und der Energiewende unter Druck.

Im März wurde im Kanton Schaffhausen in einer Volksabstimmung eine Änderung des Natur- und Heimatschutzgesetzes knapp angenommen – und der Denkmalpflege damit einen Zahn gezogen.

Bei Umbauten von Gebäuden von lokaler Bedeutung muss die kantonale Denkmalpflege nicht mehr konsultiert werden. Kleine Gemeinden ohne Denkmalpflege entscheiden in eigener Kompetenz.

Denkmalschutz unter Druck

Im Kanton Basel-Landschaft wurde die Umnutzung von Schutzobjekten ebenfalls erleichtert. Bereits 2016 hat der Grosse Rat des Kantons Bern beschlossen, nur noch höchstens sieben Prozent der Gebäude als schützens- oder erhaltenswert einzustufen.

Diese Beispiele zeigen: Der Denkmalpflege und dem Denkmalschutz weht ein rauer Wind entgegen.

«Mit der grossen Kelle angerührt»

Der Thurgauer SVP-Ständerat Roland Eberle hat für diese Änderungen Verständnis. «Man hat bei der Unterschutzstellung eher mit der grossen Kelle angerührt. Das ist ein Vorsichtsprinzip, das ich nachvollziehen kann. Aber wir sind jetzt in einer Phase, in der die innere Verdichtung wichtig ist», erklärt Eberle.

Darum ist für ihn klar, dass auch in der Denkmalpflege weniger mehr ist. Es brauche eine neue Definition von Denkmalpflege, folgert Eberle.

Der Thurgauer Ständerat fügt an, dass auch die angestrebte Energiewende vermehrt berücksichtigt werden müsse. «Neben dem Verkehr ist die Gebäudehülle der grösste Energiefresser», sagt Eberle.

Erinnerung an den Bauboom der 1960er-Jahre

Verdichtung und Energieeffizienz sind starke Argumente. Bernhard Furrer kann darüber trotzdem nur den Kopf schütteln. Der 74-Jährige ist mit allen denkmalpflegerischen Wassern gewaschen.

27 Jahre war er als Denkmalpfleger der Stadt Bern tätig und hat sich unter anderem dafür eingesetzt, dass die Zähringerstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde. Als Präsident der Eidgenössischen Denkmalpflege-Kommission war er zwölf Jahre lang wichtiger Ansprechpartner für das Bundesamt für Kultur.

2018 hat Furrer ein Déja-vu. «Die ganze Situation erinnert mich an den Bauboom der 1960er-Jahre. Damals ging es darum zu bauen, was das Zeug hält. Erst Mitte der 70er-Jahre wuchs das Bewusstsein, dass damals Unersetzbares verloren gegangen ist», sagt Furrer. Er erinnert daran, wie in der Hochkonjunktur historische Stadtkerne grossen Überbauungen mit Geschäfts- und Warenhäusern und breiten Strassen zum Opfer fielen.

Vorgeschobene Argumente

Auf die aktuellen Stichworte «Verdichtung» und «Energieeffizienz» reagiert Furrer skeptisch. Das seien nur vorgeschobene Argumente, findet er und beginnt zu rechnen.

Die Baudenkmäler machen in der Schweiz je nach Kanton drei bis fünf Prozent des gesamten Gebäudebestandes aus, das Bauvolumen entspricht zwei Promille. «Für die Energiewende spielt es wirklich keine Rolle, ob man die Baudenkmäler energietechnisch aufmöbelt», argumentiert Furrer.

Rein rechnerisch seien Furrers Überlegungen zwar logisch, findet auch Ständerat Eberle. Aber ihn stören die Ausnahmen.

«Wenn ein Besitzer eines Baudenkmals sich nicht bemühen muss, weniger Energie zu verbrauchen, und sein Nachbar mit einem Neubau dazu gezwungen wird, gibt das unnötige Unsicherheiten», sagt Eberle.

Die Wertschätzung fürs baukulturelle Erbe

Dem hält der ehemalige Berner Denkmalpfleger Furrer eine repräsentative Studie entgegen. Darin sagen neun von zehn Personen, dass es sie stören würde, wenn ein Baudenkmal am Ort, an dem sie sich zu Hause fühlen, zerstört würde.

Diese weit verbreitete Wertschätzung für das baukulturelle Erbe müssten Politiker endlich zur Kenntnis nehmen, fordert Furrer.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 23.7.2018, 17.10 Uhr

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