Nach über 40 Jahren stellt der «Blick» seine Sexualberatungs-Kolumne ein. Seit den 80er-Jahren wurden darin Fragen zu Beziehungen und Sex beantwortet – erst von Marta Emmenegger, zuletzt knapp zehn Jahren lang von Caroline Fux. Am 30. Juni erscheint «Fux über Sex» nun zum letzten Mal.
Hat die Allgegenwart von Sex im Internet die Kolumne in der Boulevard-Zeitung überflüssig gemacht? Der Historiker Peter-Paul Bänziger hat zur Sex-Kolumne im «Blick» geforscht. Er sagt, dass es für Zeitungen heute günstigere Wege gibt, den Voyeurismus der Leserschaft zu bedienen.
SRF: «Sex sells» heisst es immer. Überrascht es Sie da, dass der «Blick» jetzt seine Sexualberatungs-Kolumne abschafft?
Ich bin nicht ganz überrascht. Heute finden Sie Sex überall in den Medien und insbesondere im Internet. Das heisst, Sex ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr – er ist nicht mehr dazu geeignet, ein Medium zu verkaufen.
Werden Antworten auf Fragen zu Sexualität und Beziehung also heute im Netz gesucht?
Ja. Es gibt viele Foren und Online-Beratungsangebote. Da findet man einen Grossteil der Antworten. Da ist die Kolumne für den «Blick» wahrscheinlich kein zentrales Angebot mehr, das dieses Medium für seine Leserschaft leisten will.
Ich denke, dass sich bei Sex-Problemen wenig geändert hat.
Sie haben in einem Forschungsprojekt die Briefe untersucht, die Marta Emmenegger in den 1980er-Jahren im Blick beantwortet hat. Haben sich die Fragen inhaltlich seither verändert? Ist das Publikum heute aufgeklärter?
Im Grossen und Ganzen hat sich recht wenig geändert. Im Zentrum stehen Beziehungsprobleme: Wie gehe ich mit meiner Partnerin, meinem Partner um? Daran, wie man eine Partnerschaft gestaltet, hat sich sehr wenig geändert. Und ich denke, dass sich auch bei den Sex-Problemen – Erektionsprobleme, Orgasmus-Probleme etc. – wenig geändert hat.
Was hat die Kolumne bewirkt? Hat diese Art des öffentlichen Sprechens über Sexualität das Thema enttabuisiert?
Enttabuisieren würde ich nicht behaupten. Sicherlich neu war, dass in einem Leitmedium über diese Dinge gesprochen wurde - der Blick hatte damals eine sehr breite Leserschaft. Marta Emmenegger hat den Leuten sehr konkrete Anleitungen gegeben, wie sie mit ihren Problemen umgehen können.
Hat das dazu beigetragen, dass man solche Probleme als etwas Normales wahrnimmt? Dass die Hemmschwelle sinkt, Beratung zu suchen?
Ich denke schon. Das ist auf jeden Fall eine der grossen Leistungen dieser Art von Medien. Solche Beratungsangebote lassen das ganz normal werden. Alle wissen: Die Nachbarin, der Nachbar haben möglicherweise auch Beziehungs- und Sex-Probleme. Sie gehen vielleicht auch zur Therapeutin und suchen Rat.
Den Boulevard-Medien ging es ja nicht um die Therapie ihres Publikums, sondern um die Unterhaltung – sie haben damit einen Voyeurismus bedient. Warum funktioniert dieses Modell heute nicht mehr?
Ich weiss gar nicht, ob es nicht mehr funktioniert. Die Frage ist, ob es noch als Alleinstellungsmerkmal funktioniert. Vielleicht ist es einfach zu teuer im Vergleich zu anderen Möglichkeiten, den Voyeurismus ans Publikum zu bringen.
Das Gespräch führte Irene Grüter.