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Fassade des alternativen Zentrums «El Eko», auf der ein Banner prangt.
Legende: Supermarkt war früher: Im Zentrum El Eko sucht man nach alternativen Lebensentwürfen. Kulturplatz

Spaniens verlorene Generation Tag 7: Der andere Supermarkt

Am letzten Tag unserer Reise gehts zum alternativen Zentrum «El Eko», einem leerstehenden Supermarkt. Die Krise bietet Nährboden für allerlei Ideologien.

Wir freuen uns auf den Einblick in ein besonderes System der Nachbarschaftshilfe: Mitstreiter des «Movimiento 15-M» besetzen einen leerstehenden Supermarkt. Im ersten Stock des einstigen Konsumtempels werden jetzt gratis Kleider angeboten und Kinder betreut, im zweiten Geschoss findet gerade ein freier Sprachkurs statt.

Der Traum von einer neuen Gesellschaftsordnung

Ich bin mit Javier verabredet, der uns aber nicht allein durch das Gebäude führen will. Bei El Eko gebe es keine Hierarchien, da wolle er sich nicht als Sprecher in den Vordergrund drängen. Also wird unsere Crew von drei Aktivisten gleichzeitig in die unterschiedlichen Angebote eingeführt – kamera- und mikrofontechnisch nicht ganz einfach. Wir werden misstrauisch beäugt. Es wäre den Betreibern dieses Zentrums lieber, wir kämen im Auftrag eines alternativen Mediums.

Unser Interview endet in einer Grundsatzdebatte über Gesellschaftssysteme. Das ganze politische Flechtwerk müsse ersetzt werden, meint Javier. Denn noch seien die Kinder Francos an der Macht. Sein Kollege schimpft gegen den Kapitalismus. Das iPhone 4 scheint er, der Grafiker, dennoch ganz gern zu benutzen...

Die, die im Ausland nach Arbeit suchen, die könnten auch gleich sterben, meint Aktivistin Candela. «Nieder mit der Lohnarbeit!» Sterben?! Als ich nachfrage, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreitet, weicht sie aus. Das sei eine lange Geschichte. Etwas enttäuscht verlassen wir diesen Ort, von dem wir uns mehr Hoffnungsvolles erwartet haben. Wirtschaftskrisen bieten Nährboden für allerlei Ideologien. Auch wenn in den letzten Tagen viel von Solidarität die Rede war, ziehen sich Gräben durch die spanische Gesellschaft. Einige davon dürften in den nächsten Monaten tiefer werden.

Wer verliert hier wen?

Eine Woche Spanien, eine Woche mit der sogenannt «verlorenen Generation». Nur, wer verliert hier wen? Die Leute, die wir getroffen haben, machten auf mich einen äusserst flexiblen Eindruck. Und vielleicht sind sie gerade damit bestens gerüstet, für den nicht linearen Weg im Europa der Zukunft. Ich frage mich, was mehr Mut braucht – bleiben oder gehen.

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