Die BBC bangt um ihre Zukunft. Denn die Regierung Johnson hat angekündigt, die Gebührenfinanzierung für den öffentlich-rechtlichen Sender für zwei Jahre einzufrieren und längerfristig sogar abzuschaffen.
Ist das mehr als ein Ablenkungsmanöver des angeschlagenen Premiers, der derzeit wegen Quarantäne-Verstössen hart in der Kritik steht? Für Grossbritannien-Korrespondent Peter Stäuber geht es um mehr.
SRF: Wie ernst ist es denn der Regierung Johnson mit der Ankündigung, der BBC die Gelder entziehen zu wollen?
Peter Stäuber: Das ist bis zu einem gewissen Grad ein Ablenkungsmanöver. Premierminister Boris Johnson ist wegen illegaler Partys während der Pandemie unter Druck. Es häufen sich die Rücktrittsforderungen. Und so versucht Johnson eben, die Aufmerksamkeit auf andere Themen zu lenken.
Die Tories haben es schon lange auf die BBC abgesehen.
Trotzdem ist die Ankündigung einer Sparkur für die BBC ernst gemeint. Die Gebühren sollen für die nächsten zwei Jahre eingefroren werden. Im Moment zahlt ja jeder Haushalt 159 Pfund, das sind rund 200 Franken pro Jahr.
Diese Gebühr wird nicht an die Inflation angepasst, und das wird für den Haushalt der BBC Folgen haben. Man schätzt, dass das Budget um jährlich mehrere 100 Millionen Pfund schrumpfen wird.
Was ist an der Ankündigung dran, die Gebühren längerfristig ganz abschaffen zu wollen?
Das ist eher ein langfristiger Plan der Kulturministerin Nadine Doris. Bis 2027 ist das Gebührenmodell gesichert. Was danach kommt, steht noch in den Sternen.
Die Tories haben es aber schon lange auf die BBC abgesehen. Seit Jahren sagen sie, dass eine kleinere und weniger teure BBC besser wäre. Sie haben sowieso Vorbehalte gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dem sie eine linksliberale Schlagseite vorwerfen.
Aber ob sie mit ihrem Plan durchkommen, die BBC zu verkleinern und weniger einflussreich zu machen, ist noch nicht sicher. Immerhin wird es vor 2027 noch Wahlen geben. Danach könnte vieles anders aussehen.
Nadine Doris spricht davon, die BBC müsse andere Modelle finden, um sich zu finanzieren – analog zu Netflix etwa. Wie realistisch ist eine Finanzierung der BBC ohne öffentliche Gebühren?
Da gibt es verschiedene Vorschläge oder Modelle. Man nimmt oft Streaming-Dienste wie Netflix zum Vorbild, für die man sich ein Abonnement kauft und dann Inhalte abrufen kann. Im Raum steht auch die Möglichkeit, dass die BBC einen jährlichen Zuschuss von der Regierung bekommt, anstatt dass die Haushalte individuell zahlen müssen.
Die BBC ist bei den Briten sehr beliebt. Die Kritik, die man von der Tory-Regierung hört, wird von der Bevölkerung nicht unbedingt geteilt.
Alle diese Varianten würden aber laut Medienexperten dazu führen, dass die BBC mit relativ starken finanziellen Einbussen zu kämpfen hätte. Denn die BBC macht ja etwas ganz anderes als Netflix.
Da geht es nicht um das Abrufen von bereits produzierten Programmen und um Entertainment, sondern um News und Radiosendungen, um Lokalfernsehen und Online-Berichterstattung. Wie das mit einem neuen Finanzierungsmodell funktionieren könnte, ist nicht klar.
Die BBC ist die älteste nationale Rundfunkanstalt der Welt. Sie hat einen internationalen Ruf. Welche Reaktionen löst die Ankündigung der Regierung Johnson denn in Grossbritannien aus?
Es gibt schon gewisse Sorgen: bei der BBC selbst, bei anderen Medienschaffenden, die die Arbeit des Rundfunks schätzen. Aber eben auch bei der Bevölkerung.
Die BBC ist bei den Briten sehr beliebt. Sie wird als vertrauenswürdig betrachtet, als eine verlässliche Nachrichtenquelle, gerade in den ersten Wochen der Corona-Pandemie hat man das gesehen. Das zeigte eben auch, dass die Briten sich auf den öffentlich rechtlichen Rundfunk verlassen, um sich zu informieren.
Die Kritik, die man von der Tory-Regierung hört, wird von der Bevölkerung nicht unbedingt geteilt. Man ist sich einig, dass die britische Medienlandschaft ohne die BBC, wie sie heute ist, eine viel ärmere wäre.
Das Gespräch führte Irene Grüter.