Kankyo Tannier nennt sich selbst scherzhaft «Nonne 2.0»: Sie lebt zurückgezogen in einem Kloster und hat gleichzeitig knapp 5000 Facebook-Freunde. Sie versucht mit Natur und Netz verbunden zu sein. Wie geht das zusammen?
SRF: Klingelt bei Ihnen am Morgen ein Handy-Wecker?
Nein, oh nein! Das Handy nehme ich erst später am Tag in die Hand. So spät wie möglich. Am Morgen verbinde ich mich erst einmal mit mir selbst, nicht mit dem Handy.
Ich mache mir bewusst, wo ich bin, was in meinem Kopf vorgeht. Danach trinke ich einen Kaffee.
Sie nennen sich selbst «Nonne 2.0». Warum?
Ich habe ein Blog, kümmere mich um die Internetseite des Tempels und betreue mehrere Facebook-Seiten.
Ausserdem halte ich mich auf dem Laufenden, was es an technologischen Neuerungen gibt. Ich diskutiere viel mit Menschen über die Herausforderungen in der digitalen Welt.
Die neuen Medien sind so neu, dass wir erst noch lernen müssen, wie ein gesunder Umgang damit sein kann.
Was ist für Sie die grösste Schwierigkeit?
Im Internet ist alles darauf ausgerichtet, die ganze Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ständig leuchtet oder poppt etwas auf. Der Geist liebt unterschiedliche Farben und Geräusche, er will spontan wissen, warum da etwas aufscheint.
Wir müssen erst noch lernen, einen gesunden Umgang mit den neuen Medien zu finden.
Da ist es beinahe ein Kampf zu sagen: Stopp, hier entscheide ich! Das bedarf langer Übung.
Wie lang sind Sie täglich im Internet?
Drei oder vier Stunden. Das ist nicht viel im Vergleich zu anderen Menschen. Aber es ist genug, um einschätzen zu können, wie schwierig es für viele ist abzuschalten.
Spiritualität und Internet passen demnach nicht so gut zusammen. Gehört Spiritualität für Sie trotzdem ins Internet?
Das Internet ist wie ein riesiger Basar. Ich fände es schade, wenn die Spiritualität da nicht auch ihren Platz hätte. Etwas Schlichtes, wie Zen, als Ausgleich zu dieser Informationsflut. Die Welt hat etwas Schlichtheit schrecklich nötig.
Das scheint die Welt erkannt zu haben: Spiritualität ist geradezu in Mode. Im Netz, in Buchläden, Einrichtungshäusern oder in Form von Kursangeboten. Wie sehen Sie das?
Ja, Spiritualität und auch Meditation sind in Mode. Ich finde, das ist gut, eine positive Entwicklung. Aber: Spiritualität ist etwas, dass man nicht vor allem verstehen muss, sondern verinnerlichen, praktizieren.
Viel über Spiritualität zu lesen, kann zum Beispiel auch zu einer Flucht vor der Praxis werden.
Spiritualität muss man nicht verstehen, sondern verinnerlichen.
Im Buddhismus schrecken wir vor etwas zurück, das wir «spirituellen Materialismus» nennen, Konsum von Spiritualität. Das wir uns, so wie ein Kleidungsstück, eine Buddha-Statue kaufen.
Im Netz kann jeder seine eigenen spirituellen Anleitungen publizieren. Sehen Sie darin eine Gefahr?
Ich sehe es zumindest kritisch, dass man die Menschen häufig glauben macht, dass ein spiritueller Weg einfach ist und voller Freude.
Im Bereich der traditionellen Spiritualität, wozu Zen gehört, gibt es schöne und weniger schöne Aspekte. Ich denke, es ist gut, beides anzunehmen.
Sie haben auch ein persönliches Blog und auf Ihrer persönlichen Facebook-Seite knapp 5000 Freunde. Was wollen Sie denen mitgeben?
Ich glaube, die Welt hat ein bisschen Optimismus dringend nötig. Den will ich ihnen vermitteln. Viele Menschen suchen einen Ausweg aus dem stressigen Alltag, die innere Ruhe.
Gleichzeitig haben die Menschen Angst davor. Sie wissen nicht, was sie tun sollen. Mögen nicht, was sie vorfinden. Möchten etwas anderes denken, andere Gefühle verspüren.
Es gibt viele Schritte zu tun, bis man den inneren Frieden findet. Aber es ist möglich und das möchte ich den Menschen vermitteln.
Das Gespräch führte Nadja Röll.