«Für Kleidung und Equipment übernehme ich keine Verantwortung», sagt Gen Atem und steigt in den Keller. Ein Blick in die «Metzgerei», so nennt er den Atelierraum, lässt erahnen: Hier gibt’s gleich eine Sauerei. Kein Zentimeter, der nicht mit Farbe bedeckt ist.
Eine Leinwand, auf die er mit grosser Sorgfalt ein Muster gedruckt hat, liegt auf der Schlachtbank. Was Gen zuvor meditativ angefertigt hat, bearbeitet er mit Zerstörungswut. Er hält inne, nimmt Anlauf und schmettert Farbe durch den Raum.
So arbeitet der Künstler: Auf Meditation folgt ein Vandalenakt. Damit verbindet er Elemente seiner Geschichte. Gen, der buddhistische Mönch. Und Gen, der Vandale.
Schulden und Schwänzen
Es gab Zeiten, da verfolgte ihn die Staatsanwaltschaft wegen Sachbeschädigung mit einer Deliktsumme von einer halben Million Franken.
Als Jugendlicher zieht Gen nachts durch Zürich, besprayt Züge und Wände. Tagsüber schwänzt er die Schule, studiert und skizziert das Alphabet.
Mit Dispersionsrollen, frischen Pigmenten und Strukturmassen schafft Gen seinen eigenen künstlerischen Stil in der Graffiti-Szene.
Immer öfter ist ihm die Polizei auf den Fersen, was ihn in seiner Kreativität einschränkt. Mit 18 Jahren zieht Gen nach New York, wo er auf den Hip-Hop-Künstler Rammellzee trifft, eine Schlüsselfigur in der damaligen Graffiti-Szene. Der New Yorker ist beeindruckt von Gens Skizzen und nimmt ihn unter seine Fittiche.
Erst Kunst, dann Kloster
Nachts sprayen sie gemeinsam, tagsüber machen sie Musik, organisieren Ausstellungen und Performances. In roboterartigen Kostümen bekämpfen sich Gen und Rammellzee vor einem begeisterten Publikum. Stars wie Madonna, Jim Jarmusch und die Beastie Boys lassen sich blicken.
Durch Rammellzee findet Gen auch zur Spiritualität. Als er in die Schweiz zurückkehrt, stürzt er sich in Projekte, schafft Kunst im öffentlichen Raum in Zürich und in ganz Europa. Im Zentrum seiner Kunst: Identitätsfragen und ihre Bedeutung. Zu dieser Zeit widmet sich Gen der Meditation, was sich in seinen Werken widerspiegelt.
Mitte der 90er-Jahre tritt Gen in ein buddhistisches Kloster ein. Er löst sein Atelier auf und trennt sich von seinem materiellen Besitz. Es folgen Jahre der Einkehr, Stille und Meditation.
2002 verlässt er das Kloster als buddhistischer Mönch und widmet sich wieder der Kunst. Das Thema Identität interessiert ihn noch immer.
Er setzt sich mit dem Thema Vorbilder auseinander, bedruckt Leinwände mit Porträts seiner Ikonen und attackiert diese in einem Bildersturm mit Farben. «Meditated Vandalism» nennt er das.
«Mit dieser Aktion wollte ich Vorbilder für mich und auch kollektiv relativieren», erklärt Gen.
Im Künstlerduo mit Miriam Bossard entwickelt er die Serie weiter, attackiert Objekte und Worte mit Farbe. «‹Meditated Vandalism› ist auf der einen Seite die achtsame Auseinandersetzung mit einem Thema, auf der anderen eine Intervention.»
Die Spannung dazwischen interessiert Gen. Dort verortet er sich selbst – dank seiner Biografie, die ihn zwischen Stille und Explosion pendeln lässt.