Eine der 29 Kandidatinnen von «Germany’s Next Topmodel» bringt es im Trailer zur neuen Staffel auf den Punkt: «Diesen Traum erleben zu dürfen, ist der Wahnsinn.» Wie viele Fans dürfte sie schon seit Wochen auf den Start der 18. Ausgabe von «GNTM» warten.
Ein Traum dürfte die Model-Castingshow auch für ProSieben sein. Der Sender macht mit «GNTM» viel Geld, ist sie doch die perfekte Werbeplattform für eine junge, weibliche Zielgruppe.
Zwar sanken die Zuschauerzahlen in den letzten Jahren. Dennoch schalten im Schnitt noch immer zwei Millionen Menschen ein. Dabei bröckelt das Image der Erfolgssendung: Immer wieder erheben ehemalige Teilnehmerinnen schwere Vorwürfe. Manipulation, Mobbing, Knebelverträge.
Auch am (jungen) Publikum geht die Sendung nicht spurlos vorbei. Eine Studie des Internationalen Zentralinstituts für Jugend- und Bildungsfernsehen von 2015 kommt zum Schluss: «GNTM» verstärkt bei Teenagern die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Damit erhöht die Sendung die Gefahr einer Essstörung.
Doch in den letzten Jahren hat sich der Diskurs verändert. Man spricht vermehrt über Körperbilder und über die Objektivierung und Sexualisierung von Frauen. Läuft etwas falsch, fegen innert Minuten Shitstorms über die jeweiligen Akteure hinweg. Wie kommt es, dass die Show in Zeiten von Feminismus und Body Positivity noch so attraktiv ist?
Wegweiser für Jugendliche
«GNTM» sei ein gesellschaftliches Phänomen, sagt die Autorin Kera Rachel Cook. «Die Sendung gibt einfache Antworten in einer komplexen Welt.»
Cook war 2010 selbst Teilnehmerin, schied früh aus und distanzierte sich schliesslich von der Modewelt. Später schrieb sie ihre Masterarbeit in Literatur- und Kulturtheorie über «GNTM».
Für Jugendliche sei die Model-Show ein Wegweiser, sagt Cook: «Ihnen wird vermittelt: ‹Wenn du so und so aussiehst, wirst du erfolgreich und beliebt.›»
Die Schaulust ist zentral
Auch Dominique Grisard, Genderwissenschaftlerin an der Universität Basel, hat sich mit dem TV-Phänomen befasst. Ihre Erklärung für dessen Erfolg: «Es ist wie mit vielen Reality-TV-Formaten: Die Schaulust des Publikums ist zentral.» Daran ändere auch nichts, wenn die Sendung bei einigen Zuschauenden gar nicht mit deren gesellschaftlichen und politischen Vorstellungen übereinstimme.
Diese Schaulust werde von der Show gezielt bedient. «Dabei reproduziert ‹GNTM› das Bild, dass Frauen gegen- statt miteinander arbeiten und hysterisch und irrational handeln», so Grisard.
Darüber hinaus beruhe das Sendekonzept darauf, weiblich gelesene Körper zu Objekten zu machen. Was als attraktiv gilt, sei dabei eng gesteckt.
Durchgetaktete Diversität
Inzwischen ist auch den Showmachern nicht entgangen, dass man ihnen ein einseitiges Schönheitsideal vorwerfen könnte. Sie reagierten, indem sie in den letzten Staffeln auch ältere, dickere oder trans Frauen ins Rennen schickten.
Alles gut also? «Die Sendemacher verfolgen ein genaues Bild, wie diese Diversität auszusehen hat», erklärt Cook. So würden etwa nur sehr feminine trans Frauen eingeladen. Auch die «curvy» Anwärterinnen seien genormt.
Trotz dieser Kritik dürfte auch die neue Staffel erneut ein Millionenpublikum erreichen. «Man sollte es sich aber auch nicht zu einfach machen und allein ‹GNTM› kritisieren», so Ex-Teilnehmerin Cook. Vielmehr gelte es, die vorherrschenden Gesellschaftsstrukturen und Schönheitsnormen insgesamt zu hinterfragen.